Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zumutbarkeit eines Benennungsverlangens des FA gemäß § 160 AO 1977 bei Zahlungen an eine liechtensteinische Briefkastengesellschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Zumutbarkeit eines Benennungsverlangens i.S. des § 160 AO 1977 ist es nicht erforderlich, daß der Steuerpflichtige ihm auch noch im Zeitpunkt seines Erlasses nachkommen kann.

2. Wer mit einer sog. Briefkastengesellschaft Verträge abschließt und auf Grund der Verträge Zahlungen leistet, muß mit der Möglichkeit rechnen, daß das FA die Zahlungen als gemäß § 160 AO 1977 nicht abziehbare Betriebsausgaben behandelt, wenn nicht der tatsächliche Empfänger der Zahlungen benannt werden kann.

3. Es begründet keinen Verfahrensfehler, wenn ein FG trotz gleicher Sach- und Rechtslage in der Entscheidung über einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eine andere Auffassung als in der späteren Entscheidung in der Hauptsache vertritt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; AO 1977 § 90 Abs. 2, § 160

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Gründe

Die Beschwerde ist teils unzulässig und teils unbegründet. Sie war deshalb insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

1. Divergenz

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat in ihrer Beschwerdebegründung keine Abweichung der Vorentscheidung von dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. August 1986 IV B 76/86 (BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481) schlüssig dargelegt. Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) setzt voraus, daß die Vorinstanz in einer Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertreten hat als das Revisionsgericht in der Entscheidung, zu der eine Divergenz gegeben sein soll (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211). Nach der Beschwerdebegründung soll die Vorentscheidung von dem folgenden in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481 unter II. 2a bb aufgestellten Satz abgewichen sein:

Das Verlangen nach Benennung der tatsächlichen Empfänger war auch zumutbar, da der Kläger sich die vollständigen Namen und Adressen der mit den Arbeiten betrauten Architekten von der X-AG beschaffen und dann bei ihr oder den Architekten selbst nachfragen konnte, welche Honorare sie wann erhalten haben.

Diesen Satz liest die Klägerin im Zusammenhang mit den Ausführungen unter II. 1 Abs. 2 des Beschlusses. Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung jedoch keinen einzigen Satz aus der Vorentscheidung wiedergegeben, der von dem o.g. Satz abweichen würde.

Die Klägerin irrt, wenn sie glaubt, aus dem o.g. Satz den Rückschluß ziehen zu können, ein Benennungsverlangen sei immer nur dann zumutbar, wenn der Steuerpflichtige ihm auch noch im Zeitpunkt seines Erlasses nachkommen könne. Eine solche Rechtsaussage ist dem Beschluß in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481 nicht zu entnehmen. Dort wird im Gegenteil unter II. 1 Abs. 2 folgendes ausgeführt:

Das Verlangen darf auch dann gestellt werden, wenn der Steuerpflichtige den Empfänger nicht bezeichnen kann, weil ihm bei Auszahlung des Geldes dessen Name und Anschrift unbekannt waren (Zitate). Dies gilt um so mehr für Auslandssachverhalte, in denen der Steuerpflichtige nach § 90 Abs. 2 AO 1977 in erhöhtem Maße zur Erbringung von Nachweisen und zur Beschaffung und Vorlegung von Beweismitteln verpflichtet ist (Zitate).

Aus diesem Satz ergibt sich eindeutig, daß auch nach der in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481 vertretenen Rechtsauffassung die Zumutbarkeit eines Benennungsverlangens nicht nach den Möglichkeiten im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige muß sich vielmehr von vornherein auf ein künftiges Benennungsverlangen einrichten. Wer mit einer sog. Briefkastengesellschaft Verträge ab-schließt und auf Grund der Verträge Zahlungen leistet, muß mit der Möglichkeit rechnen, daß der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Zahlungen als gemäß § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht abziehbare Betriebsausgaben behandelt, wenn nicht der tatsächliche Empfänger der Zahlungen benannt werden kann. Dem entspricht allein die in § 90 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 getroffene Gesetzesregelung, wonach ein Beteiligter sich nicht darauf berufen kann, daß er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. § 90 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 gilt wegen § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren. Bei dieser Rechtslage war die Zumutbarkeit des Benennungsverlangens ausschließlich auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse des Jahres 1981 zu beurteilen, als die hier interessierenden Geschäftsbeziehungen auf die Klägerin übertragen wurden.

2. Verfahrensfehler

a) Es begründet keinen Verfahrensfehler, wenn ein Finanzgericht (FG) trotz gleicher Sach- und Rechtslage in der Entscheidung über einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eine andere Rechtsauffassung als in der späteren Entscheidung in der Hauptsache vertritt. Insoweit fehlt es an einer Gesetzesvorschrift, die das FG für seine spätere Entscheidung an die zunächst vertretene Rechtsauffassung bindet. Deshalb greift Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ein. Danach ist jeder Richter nur dem Gesetz unterworfen. Entsprechend muß er seine früher vertretene Rechtsauffassung aufgeben, wenn er ihre Unrichtigkeit erkennt.

b) Das FG hat auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt. Dazu kann dahinstehen, ob die entsprechende Rüge der Klägerin i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssig begründet ist. Das FG hat auf S. 12 seines Urteils aus dem Verhalten des Z die Schlußfolgerung gezogen, daß der Zeitablauf bis zum Benennungsverlangen die Aufklärungschancen für die Klägerin nicht verschlechtert hatte. Diese Schlußfolgerung trägt jedoch das Urteil nicht. Dieses baut vielmehr auf der Annahme auf, daß Z hinter der liechtensteinischen Anstalt stand und sich die Klägerin schon deshalb nicht auf ihre eigene Unwissenheit berufen durfte, weil Z in dem maßgeblichen Zeitraum auch Geschäftsführer der Klägerin war. Das FG hat also richtigerweise die Zumutbarkeit des Benennungsverlangens aus der Sicht des Jahres 1981 beurteilt. Kommt es aber nur auf diesen Zeitpunkt an, so ist es für die getroffene Entscheidung unerheblich, ob sich später die Aufklärungschancen für die Klägerin verschlechterten oder nicht.

3. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision kann deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zugelassen werden.

a) Es ist selbstverständlich, daß ein FG bei seiner Entscheidung in der Hauptsache nicht an seine Entscheidung über einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gebunden ist. Insoweit besteht kein Interesse der Allgemeinheit an einer Fortbildung des Rechts durch den BFH.

b) Von der Durchführung eines Revisionsverfahrens kann keine Konkretisierung der Zumutbarkeit des Benennungsverlangens erwartet werden. Der Senat könnte nur die schon bekannte Rechtsprechung wiederholen und die Zumutbarkeit nach den Verhältnissen bei Übernahme der Geschäftsbeziehungen im Jahre 1981 beurteilen. Danach war im Streitfall das erst später gestellte Benennungsverlangen zumutbar.

c) Die Frage, ob im finanzgerichtlichen Verfahren der Klägerin das rechtliche Gehör verweigert wurde, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64567

BFH/NV 1994, 688

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge