Leitsatz (amtlich)

Der Wert des Beschwerdegegenstands im Richterablehnungsverfahren ist auf 10 v. H. des Streitwerts der Hauptsache zu bemessen.

 

Normenkette

GKG § 13

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat in sieben Fällen Klagen gegen die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel - EVSt-Getr -) erhoben, in denen es um die Gewährung von Erstattungen für ausgeführte Gerste oder Sorghum-Flocken geht. In den finanzgerichtlichen Verfahren lehnte die Klägerin die Richter A, B und C wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das FG wies die Anträge durch mehrere Entscheidungen zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden wies der erkennende Senat, nachdem er die Verfahren verbunden hatte, mit Beschluß vom 11. Mai 1976 als unbegründet zurück.

Mit Schreiben vom 25. Juni 1976 beantragte der Prozeßbevollmächtigte der EVSt-Getr, die Streitwerte sämtlicher Verfahren festzusetzen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin erklärte dazu, daß als Streitwerte für das Beschwerdeverfahren über die Ablehnung der drei Richter nur 10 % der für die Hauptsache maßgeblichen Streitwerte angesetzt werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Wie der Streitwert im Verfahren der Ablehnung von Richtern zu bemessen ist, ist streitig. Nach der einen Ansicht ist er dem Wert der Hauptsache gleichzusetzen (Beschluß des BGH vom 17. Januar 1968 IV ZB 3/68, NJW 1968, 796; Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Mai 1972 182 III 71, Bayerische Verwaltungsblätter 1972 S. 421; v. Bornhaupt, Zweifelsfragen bei der Streitwertermittlung, FR 174, 109; vgl. auch die Rechtsprechung und Literatur, die in Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 4. Aufl., Fußnote 645 S. 316, zitiert sind). Nach einer anderen Auffassung ist der Streitwert auf einen Bruchteil des Wertes der Hauptsache festzusetzen, wobei in der Rechtsprechung die Höhe dieses Bruchteils zwischen 1/10 und 1/3 schwankt (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 16. April 1958 15 W 280/58, Der Deutsche Rechtspfleger 1962 S. 153 - Rpfleger 1962, 153 -, und die von Hillach/Rohs, a. a. O., Fußnote 642 S. 315 zitierte Rechtsprechung und Literatur). Schließlich wird noch die Auffassung vertreten, es handle sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, deren Wert unabhängig vom Wert der Hauptsache festzusetzen sei (vgl. Beschluß des OLG Köln vom 26. November 1975 2 W 65/74, Rpfleger 1976, 226; Schneider, Der Streitwert der Richterablehnung, Monatsschrift für Deutsches Recht 1968 S. 888; Schneider, Streitwert, 3. Aufl., S. 19).

Der erkennende Senat hat bisher in drei nicht veröffentlichten Entscheidungen zu dieser Frage Stellung genommen. Im Beschluß vom 17. August 1972 VII B 11/72 hat er sich i. S. der letztgenannten Auffassung ausgesprochen (nichtvermögensrechtliche Streitigkeit); er hat sich dabei auf § 14 GKG a. F. und auf den nicht veröffentlichten Beschluß des V. Senats des BFH vom 8. August 1968 V B 25/68 gestützt, in dem dieser den Wert des Streitgegenstandes einer Beschwerde im Richterablehnungsverfahren auf 500 DM festgesetzt hatte (ob die Hauptsache eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit war, ergibt sich aus diesem Beschluß nicht). Im Beschluß vom 28. September 1972 VII B 35/71 hat der Senat den Wert des Beschwerdeverfahrens bei einer Richterablehnung ebenfalls auf 500 DM festgesetzt; in der Hauptsache ging es dabei um die Frage, ob unbefugt Hilfe in Steuersachen gewährt worden war. Im Beschluß vom 26. März 1974 VII B 77/73, 1-3/74 bekannte sich der Senat wiederum zur Auffassung, daß es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handle, meinte aber, der Wert des Hauptsacheverfahrens könne dennoch nicht unberücksichtigt bleiben; er bemaß den Streitwert auf 10 % des Streitwertes der Hauptsache.

Die Wertberechnung richtet sich im vorliegenden Fall nach § 13 GKG n. F. Danach ist der Streitwert "nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen". Nur wenn der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte gibt, ist ein Streitwert von 4 000 DM anzunehmen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG). Diese Vorschrift unterscheidet sich vom Gerichtskostengesetz a. F. (vgl. § 14) dadurch, daß sie nicht mehr zwischen vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten unterscheidet.

Die Bedeutung des Richterablehnungsverfahrens für den Kläger liegt in seinem Interesse an der Nichtteilnahme des abgelehnten Richters am Verfahren. Der Kläger hat den Richter in der Befürchtung abgelehnt, er werde wegen seiner Befangenheit zu seinem Nachteil entscheiden und dadurch verhindern, daß er zu dem mit der Klage angestrebten Ziel gelangt. Daraus ergibt sich zunächst, daß die Bedeutung der Richterablehnung nicht unabhängig von der Bedeutung der Hauptsache ist; je höher der Wert der Hauptsache ist, desto größer ist das Interesse des Klägers am Nichtmitwirken des abgelehnten Richters. Diese Bedeutung für den Kläger ist aber nicht identisch mit der des Hauptsacheverfahrens. Der Kläger muß zwar befürchten, daß ein zu seinem Nachteil befangener Richter zur Abweisung der Klage beitragen wird; er kann aber nicht damit rechnen, daß ein anstelle des befangenen eintretender unbefangener Richter unbedingt zu seinen Gunsten entscheiden wird. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens bleibt auch bei einem Erfolg in der Richterablehnung ungewiß. Die Bedeutung des Richterablehnungsverfahrens kann daher nur geringer sein als die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens.

Der Streitwert des Richterablehnungsverfahrens ist also auf einen Bruchteil des Wertes der Hauptsache festzusetzen. Die Tatsache, daß es schwierig ist, diesen Bruchteil zu bestimmen, kann nicht dazu führen, die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG für gegeben zu erachten. Der dort genannte Pauschalbetrag von 4 000 DM kann nicht angewendet werden, wenn wie hier die Bedeutung des Zwischenverfahrens für den Kläger eine Funktion der Bedeutung des Hauptverfahrens ist und die letztere sich ziffernmäßig genau belegen läßt. Sonst käme man in Fällen, in denen es im Hauptsacheverfahren nur um einen ganz geringen Streitwert geht, im Richterablehnungsverfahren zu einem Streitwert der jenen in der Hauptsache wesentlich übersteigt. Das kann aber schon deswegen nicht richtig sein, da es ausgeschlossen ist, daß für den Kläger die Bedeutung des Zwischenverfahrens größer ist als die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens, dem das Zwischenverfahren zu dienen bestimmt ist. Dagegen wendet das OLG Köln (a. a. O.) zu Unrecht ein, es erscheine "der verfassungsrechtlich hervorgehobenen Stellung des Richteramtes wenig angemessen, die Frage, ob ein Richter im Einzelfall an der Ausübung seines Amtes gehindert ist, durch einen Wertansatz von 20 DM als bedeutungslos zu beurteilen". Es kommt eben gerade nicht auf die rechtspolitische oder wie immer zu definierende abstrakte Bedeutung des Richterablehnungsverfahrens an, sondern nach dem klaren Wortlaut des § 13 GKG allein darauf, welche Bedeutung die Sache für den Kläger hat. Weil dem so ist, ist auch die Begründung des BGH (a. a. O.) hier nicht stichhaltig, eine Zwischenentscheidung habe grundsätzlich keine geringere Bedeutung als die Entscheidung in der Hauptsache, da der Gesetzgeber, wäre er vom Gegenteil ausgegangen, dem "bereits dadurch angemessen Rechnung getragen (hätte), daß diese Entscheidung einem vereinfachten Verfahren überlassen bleibt und in diesem Verfahren nach § 46 GKG nur eine Gerichtsgebühr und nach § 61 BRAGebO nur 3/10 einer Anwaltsgebühr erwachsen". Die Frage, welche Gerichtsgebühren für ein Verfahren als angemessen zu erachten sind, hat nichts zu tun mit der Frage nach dem Streitwert. Denn für die erstgenannte Frage spielt eine wesentliche Rolle, welchen Arbeitsaufwand eine Sache für das Gericht bedeutet, während die Frage des Streitwerts gemäß § 13 GKG nach der - geldwerten - Bedeutung einer Sache für den Kläger zu bemessen ist.

Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens ist also ein Bruchteil des Wertes, um den im Hauptsacheverfahren gestritten wird. Der erkennende Senat hat in der zitierten Entscheidung VII B 77/73 diesen Bruchteil auf 10 % bemessen. Er sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, zumal die Gerichte in einer Reihe von anderen Zwischenverfahren den Streitwert im Regelfall in derselben Weise zu bestimmen pflegen (10 % des Streitwerts der Hauptsache bei Streit über Aussetzung der Vollziehung, einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Fälligkeit einer Forderung, Stundung, Untätigkeitsklage; vgl. die Rechtsprechung, die bei Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 140 FGO Nr. 29 a ff. zitiert ist.

Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, daß es in einem Teil der Beschwerdeverfahren nicht nur um die Ablehnung eines Richters geht. Aus dem Umstand, daß die Klägerin die Ablehnung eines einzigen Richters nicht für ausreichend gehalten hat, um ihre Befürchtung, es werde ein für sie nachteiliges Urteil ergehen, zu zerstreuen, ergibt sich, daß für die Klägerin die Bedeutung des Verfahrens in Fällen, in denen mehr als ein Richter abgelehnt worden ist, höher ist als sie wäre, wenn nur ein Richter abgelehnt worden wäre. Es ist daher angemessen, in solchen Fällen den Streitwert auf das entsprechende Vielfache des genannten Bruchteils von 10 % festzusetzen.

Trotz dieser im Ergebnis von dem zitierten Beschluß des BGH (a. a. O.) und möglicherweise auch vom nicht veröffentlichten Beschluß des V. Senats des BFH (V B 25/68) abweichenden Entscheidung des erkennenden Senats ist eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 3 FGO nicht erforderlich. Die Entscheidung des BGH beruht im wesentlichen auf § 3 ZPO, wonach der Wert des Streitgegenstandes vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt wird; die Entscheidung des V. Senats ist aufgrund § 140 Abs. 3 FGO a. F., § 14 GKG a. F. ergangen. Der erkennende Senat hat dagegen aufgrund des erst 1975 in Kraft getretenen § 13 GKG zu entscheiden, der sich insoweit von § 3 ZPO und § 14 GKG a. F. unterscheidet, als er die Bedeutung der Sache für den Kläger als maßgebend für die Streitwertbestimmung bezeichnet und vermögensrechtliche und nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten nicht mehr unterscheidet. Die von den beiden Gerichten entschiedenen Rechtsfragen sind daher nicht als identisch anzusehen (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 6. Februar 1973 GmS-OGB 1/72, NJW 1973, 1273).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413357

BStBl II 1976, 691

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