Leitsatz

Im Fall einer Verschmelzung darf die übertragende Kapitalgesellschaft das übergehende Betriebsvermögen gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen (entgegen BMF-Schreiben vom 25.3.1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 03.01, 11.01).

 

Normenkette

§ 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995, § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war eine GmbH, auf die eine andere GmbH, die K-GmbH, zum im Weg der Verschmelzung durch Aufnahme gem. § 2 Nr. 1 und §§ 46 ff. UmwG 1995 übergegangen ist. Der Verschmelzung wurde die Schlussbilanz der K-GmbH zum Verschmelzungsstichtag zugrunde gelegt. In dieser wurde dabei das Betriebsgrundstück mit einem höheren Wert (rd. 3,1 Mio. DM) als dem in der Handelsbilanz ausgewiesenen Buchwert (rd. 1,13 Mio. DM) angesetzt und wurden damit in Höhe des Unterschiedsbetrags stille Reserven aufgedeckt.

Das FA folgte dem unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 25.3.1998 (BStBl I 1998, 268, Tz. 03.01 und 11.01) nicht. Es verminderte dementsprechend den Steuerbilanzgewinn der K-GmbH. Zugleich berichtigte es die Wertansätze in der Bilanz der Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin und setzte dieser gegenüber die KSt für das Streitjahr 1998 hiernach unter Erhöhung des nach § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 nicht abzugsfähigen Übernahmeverlustes fest.

Die anschließende Klage war erfolgreich (EFG 2007, 309).

 

Entscheidung

Der BFH hielt das FG-Urteil für richtig. Er hat wie das FG eine handelsbilanzielle Maßgeblichkeit für die umwandlungssteuerlich eingeräumten Wertansätze und das im UmwStG 1995 speziell eingeräumte Wahlrecht verneint.

 

Hinweis

Es handelt sich um eine Grundsatzentscheidung mit der Folge erheblicher Steuererleichterungen für Unternehmensfusionen. Allerdings (s. u. unter 4.) betrifft sie nur noch "altes" Recht:

1. Das Umwandlungssteuerrecht ermöglicht in vielfacher Weise ein (steuerliches) Wahlrecht, die übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert oder einem höheren (Zwischen- oder Teil-)Wert anzusetzen. Das betraf nach dem UmwStG 1995 u.a. die formwechselnde Umwandlung einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft gem. §§ 24, 25 UmwStG 1995 und umgekehrt diejenige einer Kapital- in eine Personengesellschaft gem. § 3 i.V.m. § 14 UmwStG 1995 sowie die übertragende (verschmelzende) Umwandlung gem. § 3 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 und Spaltungsfälle gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG müssen die steuerlichen Wahlrechte allerdings stets in Übereinstimmung mit dem handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgeübt werden.

Die Frage, die sich seit langem stellte, war diejenige nach Reichweite der handelsbilanziellen Maßgeblichkeit auch für das (sondergesetzlich geregelte) steuerliche Umwandlungsrecht. Die Argumente wiegten seit langem hin und her, wobei sich im Schrifttum ein eindeutiges Votum für das steuerliche Wahlrecht, hingegen in der Verwaltungspraxis (im BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268 Tz. 20.30) ein Pro für die Maßgeblichkeit ausmachen ließ.

2. Der BFH hatte sich in seinem Urteil vom 19.10.2005, I R 38/04 (BFH-PR 2006, 171) für die Frage der formwechselnden Umwandlung auf die Seite der Maßgeblichkeitsgegner geschlagen. Dieses Urteil wurde von der Finanzverwaltung (im BMF-Schreiben vom 4.7.2006, BStBl I 2006, 445) auch angewandt, jedoch mit der ausdrücklichen Maßgabe, dass andere Umwandlungsformen hiervon unberührt bleiben sollten.

3. Der BFH hat für die übertragende Umwandlung nun gleichermaßen entschieden wie schon für die formwechselnde Umwandlung:

Sieht man von den Fällen ab, in denen die Voraussetzungen einer Zuschreibung (gem. § 280 HGB) vorliegen, ermöglicht es das Handelsrecht hier wie dort nicht, einen höheren als den Buchwertansatz zu wählen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG). Hier wie dort würde das steuerliche Wahlrecht bei Annahme einer Bindung an die Handelsbilanz deswegen leerlaufen – ein Ergebnis, das weder dem Regelungswortlaut noch der Regelungsidee entsprechen dürfte und das der BFH denn auch für falsch hielt.

Entsprechendes hat soeben auch das FG Hamburg verlautbart, und zwar im Urteil vom 29.3.2007, 1 K 155/06 (EFG 2007, 1562), gegen das vom FA die Revision I R 33/07 eingelegt worden ist. Diese Revision hat das FA soeben zurückgenommen. Es steht somit fest, dass die Verwaltung dem BFH folgt!

4. Konsequenzen: Nachdem die Streitfragen geklärt und die damit einhergehenden Ungewissheiten beseitigt sind, könnten Umstrukturierungen beträchtlich erleichtert werden. Mittels der Höherbewertung lässt sich für das übernehmende Unternehmen ein höheres Abschreibungsvolumen erzielen und Verlustausgleichsvolumen schaffen.

5. Im SEStEG (Gesetz zur Umsetzung der steuerlichen Fusions-RL der EG und damit der grenzüberschreitenden Umwandlung) wurde der umwandlungssteuerrechtlichen Maßgeblichkeit endgültig und erklärtermaßen der auch gesetzliche Garaus gemacht. Insofern betrifft das Grundsatzurteil des BFH nur die steuerliche Vergangenheit.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 5.6.2007, I R 97/06

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