Leitsatz

Beantragt ein steuerlicher Laie in seiner Steuererklärung wie in den Vorjahren einen Ausbildungsfreibetrag für ein nicht mehr berücksichtigungsfähiges Kind, können die Unterhaltszahlungen auch nach Bestandskraft des Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO berücksichtigt werden.

 

Sachverhalt

Die Kläger beantragten für das Jahr 1998 wie in den Vorjahren die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages für ihren am 10.12.1968 geborenen Sohn. Das Finanzamt (FA) gewährte in dem Steuerbescheid 1998 weder den Ausbildungsfreibetrag, noch wies es daraufhin, dass die Kläger die Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG abziehen könnten. Den nach Bestandskraft des Steuerbescheides gestellten Antrag auf Änderung des Steuerbescheides 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO lehnte das FA mit dem Hinweis ab, dass die Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekannt werden der Höhe der Unterhaltsaufwendungen für den Sohn treffe. Dadurch seien die Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichtes (FG) liegen die Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, da es sich bei der Tatsache, dass die Kläger für ihren Sohn im Jahr 1998 Unterhalt geleistet haben, um eine neue und rechtserhebliche Tatsache im Sinne dieser Vorschrift handelt. Das nachträgliche Bekannt werden der neuen Tatsache beruht nach Auffassung des FG auch nicht auf einem groben Verschulden der Kläger. Die irrige Annahme der Kläger, die angefallenen Unterhaltsaufwendungen könnten im Rahmen des Ausbildungsfreibetrages berücksichtigt werden, obwohl sie wussten, dass ihr Sohn kein Kind im Sinne des § 32 EStG mehr gewesen ist, führte dazu, dass sie sich hinsichtlich andere Abzugsmöglichkeiten keine Gedanken gemacht haben. Dieses Verhalten und das Nichtbeachten der ausdrücklichen Hinweise zum Thema "Unterhaltszahlungen für Kinder" in dem der Steuererklärung beigefügten Merkblatt führt jedoch nicht zu der Annahme von grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Zwar handelt derjenige grob fahrlässig, der Hinweise in Merkblättern nicht beachtet. Allerdings muss der Stpfl. zumindest eine Veranlassung dazu gehabt haben, die Anleitung zur ESt-Erklärung zu Rate zu ziehen. Im Streitfall bestand dieser Anlass nicht, da die Kläger davon ausgingen, den Ausbildungsfreibetrag für ihren Sohn zu erhalten. Auch die fehlenden Eintragungen in den Zeilen 107 - 114 des Mantelbogens der Steuererklärung (Angaben zum Unterhalt bedürftiger Angehöriger) begründet keine grobe Fahrlässigkeit. Denn falls die Auffassung der Kläger bezüglich der Gewährung des Ausbildungsfreibetrages zutreffend gewesen wäre, hätte dies die Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG ausgeschlossen. Das Ausfüllen der Zeilen 107 - 114 wäre bei dieser Konstellation überflüssig gewesen. Den Klägern kann auch nicht vorgeworfen werden, sie hätten nach der Versagung des Ausbildungsfreibetrages durch das FA vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Nachforschungen über weitere Möglichkeiten der steuerlichen Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen anstellen müssen. Das grobe Verschulden im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bezieht sich nämlich nur auf das nachträgliche Bekannt werden der Tatsache, also nicht auf den Zeitpunkt vor Festsetzung der Steuer.

 

Hinweis

Gegen das vorstehende positive Urteil des FG Baden Württemberg ist inzwischen unter dem Az. III R 107/06 eine Revision beim BFH anhängig. Betroffenen Steuerpflichtig können daher bei ähnlich gelagerten Sachverhalten auch für frühere Jahre im Rahmen der Festsetzungsfrist noch Anträge auf Änderung ihrer Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr.2 AO stellen und bei Ablehnung dieser Anträge Einspruch einlegen, sowie unter Hinweis auf das o.a. Revisionsverfahren auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.05.2006, 14 K 90/02

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