Leitsatz

Veräußert eine erschließungspflichtige Gemeinde ein Grundstück und übernimmt der Erwerber dabei die vertragliche Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück (Fortsetzung des BFH-Urteils vom 15.03.2001 – II R 39/99).

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 133, § 134, § 138, § 157 BGB, § 40, § 42 AO, § 118 Abs. 2 FGO, § 123 Abs. 1, § 127 Abs. 1, § 133 Abs. 3 Satz 5, § 134, § 135 Abs. 1 BauGB

 

Sachverhalt

Mit Kaufvertrag vom XX.9.2018 erwarben die Klägerin und ihr Ehemann von der erschließungspflichtigen Gemeinde ein unbebautes und nicht erschlossenes Grundstück zu Miteigentum. Der Vertrag nennt einen Gesamtpreis und splittet den Kaufpreis in einen Teilbetrag für den verkauften Grund und Boden und einen weiteren Teilbetrag für die Erschließungskosten auf. Zu Letzteren heißt es in dem Vertrag, enthalten seien darin sämtliche bereits erbrachten und noch zu erbringenden Kosten der Ersterschließung.

Das FA legte der Festsetzung der GrESt gegen die Klägerin als Bemessungsgrundlage den anteiligen Gesamtpreis unter Einbeziehung der Erschließungskosten zugrunde. Einspruch und Klage blieben erfolglos (Hessisches FG, Urteil vom 24.8.2020, 5 K 1373/19, Haufe-Index 14205261, EFG 2021, 52). Der Kaufvertrag sei angesichts des einheitlichen Kaufpreises dahin gehend auszulegen, dass die Gemeinde den Käufern das Grundstück in erschlossenem Zustand zu verschaffen habe.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision der Klägerin statt und änderte die angefochtenen Bescheide dahin gehend, dass die Erschließungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Der Vertrag vom XX.9.2018 sei in der Weise zu verstehen, dass die Vertragsparteien eine (zivilrechtliche) Vereinbarung über den Kauf des unerschlossenen Grundstücks getroffen haben und dass sie daneben eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung i.S.d. § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB über die Ablösung des Erschließungsbeitrags schließen wollten.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Erschließungskosten in die Bemessungsgrundlage der GrESt einzubeziehen sind, sowie mit der Auslegung von Verträgen und deren revisionsrechtlicher Überprüfung durch den BFH.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der GrESt u.a. ein sich auf ein inländisches Grundstück beziehender Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung begründet. Bemessungsgrundlage der GrESt ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung.

a) Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.

b) Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der GrESt anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Für den Umfang der Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn ist entscheidend, in welchem Zustand die Vertragsbeteiligten das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht haben.

2. Diese Grundsätze gelten auch für den Erschließungszustand des Grundstücks.

a) Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags bereits tatsächlich erschlossen, kann Gegenstand eines solchen Vertrags nur das erschlossene Grundstück sein. In diesem Fall gehören die im Kaufvertrag ausgewiesenen Kosten für die Erschließung grundsätzlich auch dann zur Gegenleistung, wenn der Veräußerer eine Gemein­de ist.

b) Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags noch nicht erschlossen, ist im Wege der Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln, ob das erschlossene Grundstück Gegenstand der Übereignungsverpflichtung ist, und zwar nach zivilrechtlichen Maßstäben.

3. Ist eine nach öffentlichem Recht erschließungspflichtige Gemeinde selbst der Veräußerer und übernimmt der Erwerber die Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück. Das gilt nicht nur, wenn der Erwerber die Erschließungskosten mittels gesonderten Vertrags übernimmt (dazu BFH, Urteil vom 15.3.2001, II R 39/99, BFH/NV 2001, 1198, Haufe-Index 602243, BStBl II 2002, 93), sondern ebenso, wenn eine solche Vereinbarung in den Kaufvertrag über das Grundstück integriert ist. Sie enthält regelmäßig einen von dem Kaufvertrag über den Erwerb des Grundstücks zu trennenden öffentlich-rechtlichen Vertrag.

a) Privatrechtliche Vereinbarungen über die der Gemeinde obliegende Erschließung sind nicht zu...

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