Leitsatz

1. Die Sperrwirkung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG greift auch dann ein, wenn der Leistungsempfänger i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG die Zahlungen an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft erbringt.

2. Die durch § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG ausgelöste Ungleichbehandlung zwischen Bauleistungsempfängern und Auftraggebern von Leistungen aus anderen Dienstleistungssektoren verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

48 Abs. 1 Sätze 1 und 4, Abs. 4 Nr. 1 EStG, § 160 Abs. 1 Satz 1, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Zur Erfüllung mehrerer Bauprojekte bediente sich die Klägerin, eine KG, britischer Subunternehmer und berücksichtigte im Jahresabschluss für das Streitjahr 2002 Zahlungen an diese als Betriebsausgaben. Die Zahlungen erfolgten als Gegenleistung für Bauleistungen i.S.d. § 48 EStG. Im Folgejahr meldete die Klägerin hierfür Bauabzugsteuer für die britischen Subunternehmer in gesetzlicher Höhe an und führte den Betrag ab. Nach den Feststellungen und Auskünften der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen des Bundeszentralamts für Steuern (IZA) handelte es sich bei sämtlichen britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Domizilgesellschaften. Nachdem ein an die Klägerin gerichtetes Benennungsverlangen zur Feststellung der aus den Zahlungen tatsächlich begünstigten Personen zu keinem Ergebnis geführt hatte, erkannte das FA 70 % der geltend gemachten Betriebsausgaben nicht zum Abzug an. Die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 5.2.2020, 9 K 95/13, Haufe-Index 13768033, EFG 2020, 85).

 

Entscheidung

Die Revision des FA blieb aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen erfolglos.

 

Hinweis

1. Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind u.a. Betriebsausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder Empfänger genau zu benennen. Nach § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG ist § 160 Abs. 1 Satz 1 AOjedoch nicht anzuwenden, wenn der Leistungsempfänger den Steuerabzug (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG: 15 % der Gegenleistung) angemeldet und abgeführt hat.

Da die Prüfung des Benennungsverlangens nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AObei Mitunternehmerschaften ein unselbstständiger Bestandteil des gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist, ist auch die Frage, ob und inwieweit § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG die Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sperrt, im Rahmen des gesonderten Feststellungsverfahrens zu prüfen.

2. Die Sperrwirkung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG greift auch bei Zahlungen an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ein.

a) Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG sowie des § 48 Abs. 1 Satz 4 EStG; nach Letzterem gilt als Leistender i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG auch, wer über eine Leistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben.

b) Auch die Gesetzesmaterialien bestätigen dieses Ergebnis. Danach sind die durch Sub- bzw. Werkvertragsunternehmen verursachten Missstände in der Baubranche besonders gravierend. Mit der Bauabzugsteuer bezweckt der Gesetzgeber einerseits, durch den Steuerabzug an der Quelle dem Sicherungsbedürfnis des Fiskus (Sicherung der ESt bzw. KSt des Leistenden sowie der Besteuerung des Arbeitslohns der bei der Bauleistung eingesetzten Arbeitnehmer) zu entsprechen, andererseits dem Auftraggeber hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs Rechtssicherheit zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die Zahlungen an den wirtschaftlich Leistenden oder an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft als fiktiv Leistenden erfolgen.

3. Die durch § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG ausgelöste Ungleichbehandlung zwischen Bauleistungsempfängern und Auftraggebern von Leistungen aus anderen Dienstleistungssektoren bewirkt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Mit der Regelung verfolgt der Gesetzgeber einen legitimen Lenkungszweck – das Steuerabzugsverfahren soll die illegale Betätigung im Baugewerbe eindämmen. Eine Sonderregelung für diesen Sektor ist infolge der dort festgestellten besonders gravierenden Missstände gerechtfertigt. Die Ausgestaltung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG orientiert sich an diesem Zweck – nur die Empfänger von Bauleistungen werden mit dem Steuerabzug i.H.v. 15 % der Gegenleistung belastet, erhalten dann aber Rechtssicherheit hinsichtlich ihres Betriebsausgabenabzugs.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.6.2022 – IV R 4/20

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