Leitsatz

Das Niedersächsische FG hält mir seinem Beschluss vom 16.5.2003 die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren für ausreichend, die strittigen Steuerbeträge von der Vollziehung auszusetzen. Es erkennt ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids und stellt fest, dass öffentliche Interessen an einer geordneten Haushaltsführung dem nicht entgegenstehen.

 

Sachverhalt

Der Steuerzahler hatte in den Einkommensteuererklärungen 1999 und 2000 private Veräußerungsgewinne aus Wertpapiergeschäften erklärt. Gegen die entsprechenden Steuerbescheide hatte er Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Er begründete dies mit den vom BFH im Vorlagebeschluss (BFH, Beschluss v. 16.7.2002, BStBl II 2003 S. 74) festgestellten ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung privater Veräußerungsgewinne. Das FG gab dem Aussetzungsantrag statt, nachdem dieser im außergerichtlichen Verfahren vom Finanzamt zunächst abgelehnt worden war.

 

Entscheidung

Das FG ist davon überzeugt, dass § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der derzeit gültigen Fassung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist und verweist insoweit auf den Vorlagebeschluss des BFH. Es stellt fest, dass bei Vorliegen verfassungsrechtlicher Zweifel nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein berechtigtes Interesse des Steuerzahlers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich sein muss, die dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltsführung vorgehen. Diese Interessensabwägung wird vom FG zu Gunsten des Steuerzahlers vorgenommen. Es halt insbesondere deshalb ein staatliches Interesse an einer geordneten Haushaltsführung nicht für schutzwürdig, weil sich der Gesetzgeber seit Jahren auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des § 23 EStG einrichten konnte. Seit dem "Zinsurteil" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BStBl I 1991 S. 654) habe er damit rechnen müssen, dass auch die Vorschriften über Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren für verfassungswidrig erklärt werden. Dieser Mangel des Gesetzgebers an Vorsorge dürfe sich nicht zu Lasten des Anspruchs des Bürgers auf vorläufigen Rechtsschutz auswirken.

In diesem Punkt sind sich die Finanzgerichte offensichtlich nicht einig. Hinsichtlich der Aussetzung der Vollziehung strittiger Steuerbeträge aus der Besteuerung von Spekulationsgewinnen hat z.B. das FG Hamburg (FG Hamburg, Beschluss v. 24.1.2003, III 384/02, EFG 2003 S. 713) eine Aussetzung der Vollziehung wegen gerade dieser Abwägung des Rechtsschutzinteresses des Bürgers mit öffentlichen Belangen abgelehnt. Endgültige Klarheit zu diesem Streitpunkt dürfte aber eine zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des BFH gebracht haben (BFH, Beschluss v. 11.6.2003, IX B 16/03, BFH/NV 2003 S. 1121). Der BFH ist derselben Auffassung wie das Niedersächsische Finanzgericht und räumt dem Rechtsschutzbedürfnis des Bürgers den Vorrang ein. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Finanzverwaltung nun endlich auch dieser Auffassung anschließt und ihre bisherige Rechtsauffassung aufgibt. Eine allgemein verbindliche Äußerung des BMF zu dieser Rechtsfrage wäre wünschenswert.

 

Hinweis

Nach der Entscheidung des Niedersächsischen FG und insbesondere des BFH dürfte die Rechtslage nun geklärt sein. Bei der Besteuerung privater Veräußerungsgewinne mit Wertpapieren ist es deshalb angeraten, Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen und unter Hinweis insbesondere auf den BFH-Beschluss Aussetzung der Vollziehung zu beantragen.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Beschluss vom 16.05.2003, 13 V 184/03

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