Grobes Verschulden liegt vor, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich (wissentlich und willentlich in Kenntnis des Erfolgs) oder grob fahrlässig, d.h. unter Verletzung der ihm persönlich zuzumutenden Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise handelt. Fehler eines beauftragten Steuerberaters sind dem Steuerpflichtigen zuzurechnen (BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324). Bei der Beurteilung des groben Verschuldens werden bei einem Steuerberater jedoch strengere Maßstäbe angelegt als bei einem steuerlich unversierten Laien (BFH v. 26.8.1987 – I R 144/86, BStBl. II 1988, 10).

Generell gilt, dass derjenige, der offenkundigen steuerlichen Pflichten (z.B. der Steuererklärungspflicht) nicht nachkommt, ebenso grob schuldhaft handelt (BFH v. 16.9.2004 – IV R 62/02, BStBl. II 2005, 75 = AO-StB 2005, 5, z.B. im Fall eines Schätzungsbescheids bei Nichtabgabe der Steuererklärung, FG Bremen v. 19.9.2019 – 1 K 20/19 (3), EFG 2019, 1880) wie derjenige, der ausdrücklich gestellte Fragen und Hinweise in amtlichen Erläuterungen nicht beachtet oder Fragen wider besseren Wissens verneint (BFH v. 23.10.2002 – III R 32/00, BFH/NV 2003, 441).

Nicht grob schuldhaft handelt dagegen, wer sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befindet (BFH v. 21.7.1989 – III R 303/84, BStBl. II 1989, 960) oder der Vorgänge aus Rechtsunkenntnis unbeachtet lässt (BFH v. 21.9.1993 – IX R 63/90, BFH/NV 1994, 99). Daher spricht das Unterlassen von Angaben zu einem im Erklärungsvordruck nicht vorgesehenen Punkt insb. dann gegen ein grob schuldhaftes Verhalten, wenn der Erklärungsvordruck den Eindruck erweckt, diese Angaben seien steuerlich nicht relevant (BFH v. 9.11.2011 – X R 53/09, BFH/NV 2012, 545 = AO-StB 2012, 109).

Werden Einnahmen eines angestellten Chefarztes aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen im Rahmen der Einkommensteuererklärung irrtümlich sowohl bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit als auch bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärt, weil weder der Chefarzt noch sein Steuerberater erkannt haben und nach den Umständen des Streitfalls auch nicht erkennen mussten, dass diese Einnahmen bereits dem Lohnsteuerabzug unterlegen haben, liegt kein "grobes Verschulden" i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vor (BFH v. 18.4.2023 – VIII R 9/20, AO-StB 2023, 199 (Reddig)). Grobes Verschulden hat das FG Bremen verneint bei der dem Steuerpflichtigen erst nachträglich bekannt gewordenen Abzugsmöglichkeit für Unterhaltsleistungen an die das neugeborene gemeinsame Kind betreuende Lebensgefährtin (FG Bremen v. 22.2.2018 – 1 K 7/17 (5), EFG 2018, 1086).

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