Aus dem Charakter der Regelung als Auffangvorschrift ergibt sich, dass ihre Anwendung nur dann erfolgen kann, wenn die spezielleren Verteilungsnormen nicht anzuwenden sind. Insoweit ist diese Norm nachrangig zu Art. 620 OECD-MA.

Den größten Anwendungsbereich hat die Vorschrift bei den Drittstaateneinkünften. Diese umfassen auch solche Einkünfte, die zwar grundsätzlich unter die Verteilungsnormen fallen würden, aber von diesen nicht erfasst werden, weil diese entweder auf den Wohnsitz- oder auf den Quellenstaat abstellen. Damit wird dem Charakter der DBA als bilaterale völkerrechtliche Vereinbarung Rechnung getragen mit der Konsequenz, dass sich hieraus keine Rückwirkungen für Drittstaaten ergeben können. Folglich kann die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Wohnsitzstaat auch nur für das bilaterale Verhältnis der Vertragsstaaten des DBA Bedeutung haben. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Drittstaat ebenfalls eine Besteuerung vornimmt. Gleichwohl soll durch die Zuweisung des Besteuerungsrechts das Problem begrenzt werden. Es müssen sich "lediglich" der Wohnsitzstaat und der Drittstaat über die Vermeidung der Doppelbesteuerung verständigen, was zwischen zwei Staaten regelmäßig deutlich einfacher ist, als unter Beteiligung dreier Staaten. Die hierbei anzuwendenden Regelungen können sowohl solche des Abkommensrechts (DBA zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Drittstaat) als auch solche des unilateralen Rechts sein.

Praktische Bedeutung haben diese Regelungen insbesondere in den folgenden Fällen:

  • Schadensersatzleistungen, die nicht dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sind,
  • ein zur Gewinnrealisierung führender grenzüberschreitender Formwechsel und
  • private wiederkehrende Bezüge.

Häufig werden in den DBA Ausnahmeklauseln vorgesehen, wonach das Wohnsitzprinzip nicht gelten soll, sofern es sich um Einkünfte handelt, die einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung zuzuordnen sind.[1] Hierbei wird vorausgesetzt, dass die Wirtschaftsgüter bzw. die Einkünfte in einem funktionalen Zusammenhang zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Betriebsstätte stehen. Damit handelt es sich im Ergebnis um Nebenerträge der Betriebsstätte, sodass hierfür auch entsprechende Besteuerungskonsequenzen gezogen werden sollen. Dies gilt auch für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft. Diese Auffassung hat zur Konsequenz, dass Sonderbetriebsvermögen nur ausnahmsweise der Betriebsstätte zuzuordnen ist.

[1] Art. 21 Abs. 2 OECD-Musterabkommen.

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