Nach § 81 Abs. 1 S. 1 FGO hat das Gericht den Beweis in der mündlichen Verhandlung zu erheben. Dies erfordert neben dem (formellen) Erfordernis einer eigenen Anschauung durch die Mitglieder des Spruchkörpers, dass diese die für die Entscheidung notwendigen Tatsachen weitestmöglich aus der Quelle selbst schöpfen müssen. Daher muss die Beweisaufnahme bei mehreren in Betracht kommenden Beweismitteln mit demjenigen durchgeführt werden, das dem Gericht den "unmittelbarsten" Eindruck vom streitigen Sachverhalt vermittelt (BFH v. 5.8.2022 – VI B 65/21, BFH/NV 2022, 1185). Nach der Rspr. des BFH darf ein FG jedoch grundsätzlich die in strafrechtlichen Ermittlungen oder in einem Strafurteil getroffenen Feststellungen in einem finanzgerichtlichen Verfahren verwerten. Dies gilt jedoch nicht, soweit die Beteiligten gegen diese Feststellungen substantiierte Einwendungen erheben und entsprechende Beweisanträge stellen, die das FG nicht nach den allgemeinen für die Beweiserhebung maßgeblichen Grundsätzen außer Acht lassen kann (BFH v. 19.1.2012 – VII B 88/11, BFH/NV 2012, 761). Unter Anwendung dieser Grundsätze beanstandete der BFH im Streitfall nicht, dass das FG Daten aus Excel-Tabellen, die als Beweismittel in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht des FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung aufgeführt waren, seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Nach den Feststellungen des FG wurden die auf einer Festplatte befindlichen Daten bei einer im strafrechtlichen Verfahren gegen den Kläger gerichteten Durchsuchung der Geschäftsräume einer Gesellschaft gespiegelt. Der Kläger hatte im finanzgerichtlichen Verfahren nicht bestritten, dass die Daten nicht fehlerfrei in den Bericht der Steuerfahndung übertragen worden seien. Im Übrigen hat der rechtskundig vertretene Kläger sein Recht auf Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 155 S. 1 FGO i.V.m. § 295 ZPO verloren, da er eine derartige Verletzung nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt, sondern einen Klageantrag gestellt hat (vgl. BFH v. 23.10.2019 – IX B 54/19, BFH/NV 2020, 219). Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch die Vernehmung des Buchhalters seines Steuerberaters als Zeugen "zur Frage der Excel-Tabelle" beantragt und für den Fall der Nichterhebung einen Verfahrensfehler gerügt. Dies wollte der BFH jedoch nicht als Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstanden wissen, da der Antrag nicht die Existenz und die fehlerfreie Übertragung der Daten aus den Excel-Tabellen in die Berichte der Prüfung betraf.

Der BFH verneinte auch die Verletzung einer Sachaufklärungspflicht gem. § 76 FGO durch das FG. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und gem. § 81 Abs. 1 S. 2 FGO die erforderlichen Beweise zu erheben. Das FG muss jedoch im Rahmen der Beweisaufnahme keinen unsubstantiierten Beweisanträgen nachgehen (BFH v. 6.8.2014 – VI B 38/14, BFH/NV 2014, 1904). Unsubstantiiert ist ein Beweisantrag insbesondere dann, wenn er

(1.) lediglich auf eine weitere Ermittlung oder Ausforschung abzielt,

(2.) nicht erkennen lässt, welche entscheidungserheblichen Tatsachen bezeugt werden sollen,

(3.) die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder

(4.) so unbestimmt ist, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann.

Demgegenüber erfordert ein substantiierter Beweisantrag, dass das Beweisthema und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf eine einzelne konkrete Tatsache genau angegeben werden (BFH v. 20.9.2022 – VIII B 82/21, BFH/NV 2022, 1295). Diesen Anforderungen genügte der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Klägers, den Buchhalter seines Steuerberaters als Zeugen zu vernehmen, nicht. Aus diesem Antrag ließen sich keine Tatsachen entnehmen, zu denen das FG den benannten Zeugen hätte vernehmen sollen.

BFH v. 5.4.2023 – V R 5/22

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