Nach Auffassung des BFH rechtfertigt eine rückwirkende Änderung einer streiterheblichen Rechtsnorm nach Ergehen der finanzgerichtlichen Entscheidung für sich gesehen keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Im Besprechungsfall stritten die Kläger, die zur Tonnagenbesteuerung optierten, nach verschiedenen zivilrechtlichen Gestaltungsmaßnahmen, u.a. einer Einbringung einer Beteiligung an einer KG in eine GmbH & Co. KG gem. § 24 UmwStG über Ansätze in einem Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr 2013 vom 27.7.2015, insb. über die Höhe eines vom FA errechneten Unterschiedsbetrags gem. § 5 Abs. 4a EStG, den es dem Gewinn des Klägers hinzurechnete. Nach einem weitgehend erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahren gab das FG der Klage mit Urteil vom 16.3.2021 statt. Es legte seiner Entscheidung die Vorschrift des § 5 Abs. 4a EStG in der bis zum 8.6.2021 geltenden Fassung zugrunde. Die Neuregelung des § 5 Abs. 4a EStG durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz v. 2.6.2021 (BGBl. I 2021, 1259) konnte es noch nicht berücksichtigen. Das FA begehrte mit einer Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Es räumte zwar ein, dass die vom FG angewendete Vorschrift des § 5 Abs. 4a EStG a.F. auslaufendes Recht sei. Die Auslegung dieser Vorschrift sei aber in der vorliegenden Fallkonstellation für eine Vielzahl von Altfällen von Bedeutung. Zudem sei die Rechtsfrage klärungsbedürftig, weil das angefochtene Urteil der neuen Gesetzeslage und der Verwaltungsauffassung widerspreche.

Der BFH ließ die Revision jedoch nicht zu und verneinte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Dabei knüpfte er an seine bisherige Rspr. an. Danach hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, richtet sich grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde (BFH v. 17.3.2015 – XI B 11/14). Wird nach dem finanzgerichtlichen Urteil eine für diese Entscheidung streitentscheidende Rechtsnorm rückwirkend geändert, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (BVerwG v. 1.11.1972 – IV C 6.71, BVerwGE 41, 227). Der BFH ist nicht verpflichtet, die Revision nur deshalb zuzulassen, damit die geänderte Gesetzeslage im Revisionsverfahren zur Wahrung von Individualinteressen eines Beteiligten, im Streitfall des FA, noch berücksichtigt werden kann (Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 115 Rz. 133). Deshalb begründet auch ein eventueller Widerspruch des angefochtenen Urteils FG mit der durch § 5 Abs. 4 EStG n.F. entstandenen neuen Rechtslage keinen Anspruch auf Zulassung der Revision.

BFH v. 14.4.2022 – IV B 21/21

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