Auch einer Behörde ist nach § 56 Abs. 1 FGO auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Im Besprechungsfall waren diese Voraussetzungen im Hinblick auf den fristgerechten Eingang einer Revisionsbegründung des FA streitig. Die Frist zur Begründung einer vom FA eingelegten Revision wurde auf Antrag vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH bis zum 30.4.2021 verlängert. Die auf dem Postweg übersandte, vom 28.4.2021 datierende Revisionsbegründung war jedoch erst am 4.5.2021 (einem Dienstag) beim BFH eingegangen. Der auf dem Briefumschlag von der Poststelle des FA aufgebrachte Poststempel wies ebenfalls den 28.4.2021 auf. Der BFH lehnte den Antrag des FA auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und verwarf die Revision als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, für die Beurteilung, ob eine Behörde eine gesetzliche Frist schuldhaft versäumt hat, gelten grundsätzlich dieselben Maßstäbe, wie sie die Rechtsprechung für das Verschulden von Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe entwickelt hat (st. Rspr.: z.B. BFH v. 22.5.2018 – XI R 22/17, BFH/NV 2018, 961). Daher ist auch eine Behörde zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet (BFH, a.a.O.). Dabei muss die Kontrolle der Erledigung und tatsächlichen Absendung, d.h. der tatsächlichen Übergabe des Schriftstücks an die Post, durch eine Person erfolgen, die den gesamten Bearbeitungsvorgang überwachen kann (BFH v. 16.1.2007 – IX R 41/05, BFH/NV 2007, 1508). Die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle reichen hierfür ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet. Dadurch ist nämlich noch nicht ausreichend sichergestellt, dass das Schriftstück auch tatsächlich unmittelbar zur Weiterbeförderung an die Post gelangt (BFH v. 8.9.1998 – VII R 136/97, BFH/NV 1999, 73). Erforderlich ist vielmehr, dass die ordnungsgemäße Absendung eines fristwahrenden Steuerbescheides durch einen Absendevermerk der Poststelle(!) in den Akten festgehalten wird. Liegt ein solcher Vermerk vor, ist dem FA die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises für die ordnungsgemäße Absendung von die Festsetzungsfrist wahrenden Steuerbescheiden zuzubilligen. Fehlt dagegen ein solcher Vermerk muss das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung beurteilen, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen hält (BFH v. 16.1.2007 – IX R 41/05, BFH/NV 2007, 1508). Im Streitfall legte das FA zwar eine aus Sicht des BFH glaubhafte eidesstattliche Versicherung der zuständigen Sachgebietsleiterin vor, nach der der korrekt adressierte Briefumschlag am Morgen des 28.4.2021 mit der Revisionsbegründung in den behördeneigenen Postverteilerbereich gelangt ist. Jedoch gab es keinen Absendevermerk der Poststelle des FA. Da die Behörde auch nicht auf andere Weise das Datum der Absendung glaubhaft machen konnte, schloss der BFH ein Verschulden des FA an der Fristversäumnis nicht aus. In diesem Zusammenhang sah der BFH in dem Poststempel des Briefumschlags mit der Revisionsbegründung vom 28.4.2021 keinen geeigneten Nachweis für eine rechtzeitige Absendung. Dieser Stempel wurde nämlich von einer Frankiermaschine der Poststelle des FA und damit in dessen Verantwortungsbereich und nicht von dem Postdienstleister aufgebracht. Deshalb kann aus dem Datum dieses Poststempels nicht abgeleitet werden, wann der Umschlag tatsächlich in den Verantwortungsbereich des Postdienstleisters gelangt ist.

BFH v. 8.2.2022 – I R 8/21

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