Überblick

Durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Regelung zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger (Reverse-Charge-Verfahren) geändert worden. Neu ist die Einbeziehung der Lieferung von Gas und Elektrizität durch einen inländischen Unternehmer in das Reverse-Charge-Verfahren unter weiteren Voraussetzungen. In diesem Zusammenhang wurde ein neues Formular USt 1 TH eingeführt, mit dem die Voraussetzungen für die Übertragung der Steuerschuldnerschaft gegenüber dem Vertragspartner nachgewiesen werden sollen. Aufgrund eines Urteils des EuGH musste außerdem die Definition des ausländischen Unternehmers in § 13b Abs. 7 UStG angepasst werden. Darüber hinaus wurde eine schon vorhandene Ausnahme vom Reverse-Charge-Verfahren bei der Beförderung von Personen mit Taxis auf die Beförderung mit Fahrzeugen i. S. d. § 1b Abs. 2 UStG ausgeweitet.

 

Kommentar

Die rechtliche Problematik

Durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz ist der Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens erweitert worden[1]. Nach einer Anpassung des Art. 199a MwStSystRL ist die Regelung zum 1.9.2013 in Kraft getreten. Zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger führt danach auch

  • die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz durch einen inländischen Unternehmer, wenn der Leistungsempfänger selbst ein Unternehmer ist, der Erdgas über das Erdgasnetz liefert, sowie
  • die Lieferung von Elektrizität durch einen inländischen Unternehmer, wenn sowohl der Lieferer als auch der Leistungsempfänger Wiederverkäufer sind.
Wichtig

Keine Anwendung findet § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b UStG damit auf die Lieferung von Strom durch die Eigentümer von Photovoltaikanlagen oder Windenergieanlagen.

Nach § 13b Abs. 6 Nr. 2 UStG war schon bisher die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens bei einer Personenbeförderung mit einem Taxi ausgeschlossen. Mit Wirkung zum 1.10.2013 wird diese Ausnahmeregelung ausgeweitet auf die Personenbeförderung mit Fahrzeugen i. S. d. § 1b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG. Damit unterliegen nicht nur Personenbeförderungen mit einem Taxi nicht dem Reverse-Charge-Verfahren, sondern neuerdings auch Personenbeförderungen mit einem Kraftomnibus.

Außerdem wurde (mit Wirkung zum 30.6.2013) auch die Definition des ausländischen Unternehmers in § 13b Abs. 7 UStG angepasst. Nachdem der EuGH[2] festgestellt hatte, dass in den Fällen, in denen der leistende Unternehmer seinen Geschäftssitz eindeutig im Ausland, aber seinen Wohnsitz im Inland hat, die Leistung von einem "ausländischen Unternehmer" ausgeführt ist, musste § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG angepasst werden. Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist danach auch ein Unternehmer, der ausschließlich einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat.

Wichtig

Allein ein Wohnsitz im Inland macht einen Unternehmer damit noch nicht automatisch zu einem "inländischen Unternehmer". Nach den Feststellungen des EuGH muss sich auch der Leistungsempfänger von der Eigenschaft "ausländischer Unternehmer" seines Vertragspartners überzeugen können. Da er kaum die privaten Wohnverhältnisse des Geschäftspartners prüfen kann, kommt es vorrangig auf den Unternehmenssitz an.

Obwohl die gesetzliche Anpassung erst zum 30.6.2013 in Kraft getreten ist, kann sich ein Unternehmer auch schon für Zeiträume davor auf die Rechtsprechung des EuGH berufen.

Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen

Wichtig

Das BMF-Schreiben führt Abschn. 13b.3a UStAE ein und ergänzt Abschn. 13b.11 Abs. 1 UStAE.

Die Finanzverwaltung nimmt insbesondere zu den Neuregelungen bei der Lieferung von Gas oder Elektrizität durch ein Leitungsnetz Stellung und führt (durch ein separates Schreiben[3]) ein neues Formular (USt 1 TH) zum Nachweis der Eigenschaft ein, die der jeweilige Vertragspartner haben muss.

Wichtig

Unverändert bleibt die Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger, wenn der Lieferer von Elektrizität, Gas oder Fernwärme und Fernkälte ein ausländischer Unternehmer ist und der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist[4].

Ist bei der Lieferung von Gas oder Elektrizität der leistende Unternehmer ein Inländer, geht die Steuerschuldnerschaft noch nicht automatisch auf den Leistungsempfänger über. Bei der Lieferung von Gas muss der Leistungsempfänger ein Unternehmer sein, der selbst Gas liefert. Dies sind Unternehmer, die Wiederverkäufer von Gas nach § 3g Abs. 1 UStG sind – damit muss deren Hauptleistung auf den Erwerb und die Lieferung von Gas ausgerichtet und deren eigener Verbrauch darf nur von untergeordneter Bedeutung sein.

Bei der Lieferung von Elektrizität müssen beide Vertragsparteien Wiederverkäufer sein; auch in diesem Fall muss bei beiden Vertragsparteien die Hauptleistung in dem Erwerb und der Lieferung von Elektrizität bestehen und der eigene Verbrauch darf nur von untergeordneter Bedeutung sein.

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