Rz. 2/1

Stand: EL 132 – ET: 12/2022

Für die Abzugsfähigkeit von Zivilprozesskosten als AgB hatte der BFH in langjähriger Rechtsprechung drei Fallgruppen entwickelt, in denen er eine Zwangsläufigkeit bejahte und die Aufwendungen zum Abzug zuließ. Dies waren Aufwendungen für

1. > Ehescheidung,

2. Prozesse, die einen existenziell wichtigen Bereich oder

3. den Kernbereich menschlichen Lebens berühren.

Neben den Scheidungskosten (Fallgruppe 1) wurden Prozesskosten vom BFH ganz überwiegend nur dann als AgB anerkannt, wenn ein Stpfl ohne den Prozess Gefahr lief, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (Fallgruppe 2, vgl BFH 181, 12 = BStBl 1996 II, 596; BFH/NV 2009, 553). Unter dem Gesichtspunkt, dass ein Kernbereich des menschlichen Lebens berührt sei (Fallgruppe 3), wurden vom BFH Aufwendungen in einem Familienrechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinen Kindern anerkannt (vgl BFH 198, 94 = BStBl 2002 II, 382).

 

Rz. 2/2

Stand: EL 132 – ET: 12/2022

Mit Urteil vom 12.05.2011 (BFH 234, 30 = BStBl 2011 II, 1015) änderte der BFH seine Rechtsprechung und vertrat (vorübergehend; siehe > Rz 2/5) die Auffassung, Prozesskosten seien wegen des Gewaltmonopols des Staates, sofern es sich nicht um WK/BA handele, stets als AgB zu berücksichtigen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine.

 

Rz. 2/3

Stand: EL 132 – ET: 12/2022

Die FinVerw wandte das BFH-Urteil (> Rz 2/2) bereits vor der Gesetzesänderung (> Rz 2/4, 3) nicht allgemein an (> Nichtanwendungserlass in BMF vom 20.12.2011, BStBl 2011 I, 1286). Sie begründet dies damit, dass für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw der Motive der Verfahrensbeteiligten keine Instrumente zur Verfügung stehen.

 

Rz. 2/4

Stand: EL 132 – ET: 12/2022

Der Gesetzgeber reagierte auf das Urteil des BFH (> Rz 2/2) mit einer Änderung des § 33 Abs 2 EStG (vgl Art 2 des AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013, BGBl 2013 I, 1809), indem er dort einen Satz 4 einfügte, wonach Prozesskosten vom Abzug als AgB ausgeschlossen sind, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Stpfl Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Er lässt damit ab dem VZ 2013 nur noch die Aufwendungen zum Abzug als AgB zu, die vom BFH vor der Änderung seiner Rechtsprechung in der Fallgruppe 2 (> Rz 2/1) berücksichtigt hatte, nicht jedoch Scheidungskosten und Prozesskosten, die den Kernbereich menschlichen Lebens berühren. Dies ist nach Auffassung des Sächsischen FG verfassungsgemäß (EFG 2015, 644).

 

Rz. 2/5

Stand: EL 132 – ET: 12/2022

Mit Urteil vom 18.06.2015 (BFH 250, 153 = BStBl 2015 II, 800) kehrte der BFH zu seiner früheren Rechtsprechung zurück und ließ Prozesskosten bis zum VZ 2012 nur in den von ihm entwickelten Fallgruppen (> Rz 2/1) als AgB zu. Zur Rechtsprechung in Zivilsachen für VZ ab 2013 > Rz 18/1.

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