Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen die Denkgesetze kein Verfahrensmangel; Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer Begründung des FG-Urteils

 

Leitsatz (NV)

1. Die Rüge eines Verstoßes gegen die Denkgesetze bezeichnet keinen Verfahrensmangel, sondern behauptet eine Verletzung des materiellen Rechts (ständige Rechtsprechung).

2. Ist die angefochtene Entscheidung kumulativ begründet, muß hinsichtlich jeder Begründung eine schlüssige Rüge erhoben werden (ständige Rechtsprechung).

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 4

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die Denkgesetze, soweit das Finanzgericht (FG) aufgrund von Beweisanzeichen die Überzeugung gewonnen habe, er habe die angefochtenen Steuerbescheide bereits vor dem 7. Juli 1986 erhalten, so daß die hiergegen einlegten, am 7. August 1986 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) eingegangenen Einsprüche verfristet waren.

Damit macht der Kläger keinen Verfahrensfehler i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend, sondern behauptet einen dem sachlichen Recht zuzurechnenden Mangel (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 290; Beschluß vom 30. November 1988 V B 1/88, BFH/NV 1990, 151).

2. Die Beschwerde legt im übrigen weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch eine Divergenz i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO dar, noch die Möglichkeit, daß die angefochtene Entscheidung des FG auf den behaupteten Gründen beruht.

a) Eine Rechtssache hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzliche Bedeutung, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625, ständige Rechtsprechung). Die grundsätzliche Bedeutung muß dargelegt werden. Hierzu ist substantiiert in der Weise auf die Rechtsfrage einzugehen, daß konkret dargelegt wird, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse an der Entwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig ist und aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann, ferner in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage ggf. umstritten ist. Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt hierfür nicht (BFH-Beschluß vom 19. März 1991 II B 122/90, BFH/NV 1992, 602).

b) Die Beschwerde zitiert zwar zwei angebliche Divergenzentscheidungen des BFH, legt jedoch eine Abweichung gleichfalls nicht dar. Hierzu ist u. a. erforderlich, daß aus der Entscheidung des FG ein diese Entscheidung tragender allgemeiner Rechtssatz herausgestellt wird, der zu einem ebenfalls die Entscheidung tragenden allgemeinen Rechtssatz in den angezogenen BFH- Entscheidungen im Widerspruch steht (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1992 II B 74/91, BFH/NV 1993, 736, 737, ständige Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Behauptung unrichtiger Rechtsanwendungen im Einzelfall reicht dafür nicht aus (BFH-Beschluß vom 21. Ju ni 1993 IX B 5/93, BFH/NV 1994, 381).

Im übrigen betrifft die Entscheidung des BFH vom 14. März 1990 X R 104/88 (BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612, 614) die im Streitfall nicht einschlägige Frage, ob eine zusammengefaßte, an Ehegatten gerichtete Prüfungsanordnung -- anders als Steuerbescheide -- in nur einer Ausfertigung den Inhaltsadressaten wirksam bekanntgegeben werden könne. Ebenso wenig ist eine Abweichung von der Entscheidung des BFH vom 14. März 1989 VII R 75/85 (BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534) dargetan. Nach den eigenen Ausführungen der Beschwerde (S. 6) hat das FG den Zugang der angefochtenen Steuerbescheide gerade nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises, sondern entsprechend der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe eines den allgemeinen Beweisregeln zu zurechnenden Indizienbeweises festgestellt.

c) Schließlich ist die Beschwerde auch deshalb unzulässig, weil das angefochtene Urteil kumulativ begründet ist, jedoch hinsichtlich der alternativen Annahme des FG, etwaige Bekanntgabemängel seien durch den tatsächlichen Erhalt der Steuerbescheide geheilt, keine zulässigen Rügen erhoben worden sind (vgl. dazu BFH- Beschlüsse vom 5. Oktober 1992 V B 88/92, BFH/NV 1993, 426; vom 16. Ja nuar 1991 II B 77/90, BFH/NV 1992, 111; vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524, 525).

Im übrigen bedarf die Entscheidung keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 618

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