Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweis für Zustellungsdatum durch Empfangsbekenntnis

 

Leitsatz (NV)

Die Unrichtigkeit des im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatums kann nicht durch einen Eingangsstempel auf der ersten Seite des zugestellten Schriftstücks nachgewiesen werden.

 

Normenkette

ZPO § 418 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten war vor dem Finanzgericht (FG) streitig, ob ein Verlustvortrag aus dem Jahr 1989 im Streitjahr 1990 zu berücksichtigen war.

Die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte keinen Erfolg. Die Revision ließ das FG nicht zu. Die Entscheidung wurde den Prozeßbevollmächtigten der Kläger lt. Empfangsbekenntnis am 22. Februar 1996 zugestellt.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf Verfahrensmängeln, insbesondere habe das FG den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Die Beschwerdeschrift ging am 25. März 1996 beim FG sowohl als Fax als auch im Original ein. Aufgrund des Hinweises der Geschäftsstelle des erkennenden Senats, die Beschwerdeschrift sei verspätet eingegangen, tragen die Kläger vor, das Urteil sei erst am 23. Februar 1996 eingegangen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abge holfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Sie ist nicht innerhalb der Frist von einem Monat (§ 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nach Zustellung des Urteils erhoben worden. Die Rechtsmittelfrist hat mit Ablauf des 22. Februar 1996 zu laufen begonnen (§ 54 Abs. 1 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO -- und § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) und endete demnach (§ 188 Abs. 2 BGB) am Freitag, dem 22. März 1996. Gemäß § 53 Abs. 2 FGO hatte die Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zu erfolgen. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten gemäß § 5 Abs. 1 und 2 VwZG in der Weise zugestellt worden, daß den Empfängern zusammen mit dem Urteil ein Empfangsbekenntnis zugeleitet worden ist, das für diese der Steuerberater X mit dem Datum der Zustellung, nämlich dem 22. Februar 1996, und seiner Unterschrift versehen und an das FG zurückgesandt hat.

Ob das Urteil -- wie die Kläger vortragen -- den Eingangsstempel vom 23. Februar 1996 erhalten hat, ist unerheblich. Ein Empfangsbekenntnis liefert grundsätzlich den vollen Beweis für die Richtigkeit des auf ihm angegebenen Empfangs (§ 418 Abs. 1 ZPO), es sei denn, der schriftlich fixierte Tag der Zustellung sei nachgewiesenermaßen unzutreffend (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. Juni 1971 I B 12/71, BFHE 102, 457, BStBl II 1971, 723, sowie Urteile vom 11. Dezember 1987 III R 168/86, BFH/NV 1988, 451, und vom 20. Januar 1989 III R 91/85, BFH/NV 1989, 646, jeweils m. w. N.). Der zulässige Gegenbeweis ist nicht dadurch geführt, daß unter Hinweis auf das auf dem Urteil angebrachte Datum, dem 23. Februar 1996, die Möglichkeit aufgezeigt wird, daß das Urteil erst an diesem Tag zugestellt worden ist und daher das im Empfangsbekenntnis angegebene Datum falsch sein soll. Der Gegen beweis ist nämlich Hauptbeweis. Es reicht daher nicht aus, daß der durch das im Empfangsbekenntnis angegebene Datum erbrachte Beweis lediglich erschüttert ist, also ein anderer Geschehensablauf möglich oder sogar als ernstlich möglich dargetan werden kann. Vielmehr muß die Unrichtigkeit der an § 418 Abs. 1 ZPO geknüpften Vermutung zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1993 4 B 166/93, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1994, 535). Die Vorlage einer Kopie der ersten Seite des angefochtenen Urteils mit dem Aufdruck des auf den 23. Februar 1996 datierten Eingangsstempels reicht dazu nicht aus. Unterschiedliche Daten können sich dadurch ergeben haben, daß der Anwalt das Urteil samt dem Empfangsbekenntnis selbst in Empfang genommen hat und erst danach der Posteingangsstempel angebracht worden ist (Beschluß des Bundesgerichtshofes -- BGH -- vom 13. Juni 1996 VII ZB 12/96, NJW 1996, 2514). Die Vorlage der Kopie kommt der Sache nach lediglich der Erklärung gleich, das im Empfangsbekenntnis angegebene Datum sei unrichtig; damit steht allenfalls Erklärung gegen Erklärung. Gerade aber das will die Beweisregel des § 418 Abs. 1 ZPO ausschließen.

Etwas anderes ergibt sich für den vorliegenden Fall auch nicht aus dem BGH-Urteil vom 8. Juli 1996 II ZR 122/95 (NJW 1996, 3014). Es besagt nur, daß der Gegenbeweis gegen die im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben zum Zustellungstag geführt werden kann und im entschiedenen Fall auch tatsächlich geführt worden ist. Daran fehlt es jedoch im Streitfall.

Es kann deshalb dahinstehen, ob -- wie das FA meint -- der Kläger den angeblichen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet hat.

Der Streitwert wird gemäß § 25 des Gerichtskostengesetzes auf 3 128 DM festgesetzt.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 500

JurBüro 1999, 333

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