0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift überträgt inhaltsgleich den bisherigen § 89 BSHG in das SGB XII (BT-Drs. 15/1514 S. 66 zu § 86). Sie ist als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft getreten und seitdem unverändert geblieben.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Aufgrund der Sollvorschrift in Satz 1 ist der Sozialhilfeträger i. d. R. (intendiertes Ermessen) verpflichtet, dem Leistungsberechtigten eine Leistung darlehensweise zu gewähren, wenn nach § 90 einzusetzendes Vermögen nicht sofort verwertbar ist (Satz 1 1. Alt.) oder einen Härtefall begründen würde (Satz 2 2. Alt.). Nur in atypischen Fallkonstellationen darf dann ein Darlehen abgelehnt werden (BVerwG, Urteil v. 17.10.1974, V C 50.73). Ob und in welcher Weise der Träger der Sozialhilfe die Darlehensgewährung von einer dinglichen oder sonstigen Sicherheitsleistung abhängig macht, liegt dagegen nach Satz 2 in seinem pflichtgemäßen Ermessen ("kann davon abhängig gemacht werden").

 

Rz. 3

Neben § 91 ermächtigen auch § 36 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 zu einer darlehensweisen Gewährung von Leistungen. Diese Vorschriften stellen nicht auf das (verwertbare) Vermögen ab und unterscheiden sich inhaltlich von § 91.

 

Rz. 4

Liegen (nur) die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 vor, dürfen Leistungen nicht nach § 91 als Darlehen gewährt werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 12.12.2013, L 8 SO 37/13 B; BSG, Urteil v. 6.12.2018, B 8 SO 2/17 R). Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 91 als auch des § 19 Abs. 5 ("unechte" Sozialhilfe) vor, sind die Leistungen entweder als Darlehen oder nach § 19 Abs. 5 zu erbringen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 12.12.2013, L 8 SO 37/13 B; Geiger, in: LPK-SGB XII, § 91 Rz. 16). Wünsche des Leistungsberechtigten sind dabei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen, soweit sie angemessen sind.

Parallelvorschrift aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist § 24 Abs. 5 SGB II.

2 Rechtspraxis

 

Rz. 5

§ 91 setzt zunächst voraus, dass das Vermögen nach § 90 einzusetzen ist. Es muss insbesondere innerhalb angemessener Zeit (i. d. R. voraussichtlich innerhalb von 12 Monaten) verwertbar sein. Tatsächliche oder rechtliche Gründe dürfen einer Verwertung nicht entgegenstehen (vgl. hierzu ausführlich Komm. zu § 90 Rz. 12 f.).

 

Rz. 6

Hinsichtlich der Entscheidung, ob eine Leistung als Zuschuss oder als Darlehen gemäß § 91 zu erfolgen hat, ist eine Prognose über den für die Verwertung voraussichtlich notwendigen Zeitraum zu treffen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtlich voll überprüfbare Prognoseentscheidung ist dabei der Zeitpunkt, zu dem die Sozialhilfe einsetzen soll (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.12.1997, 5 C 7.96; SG Duisburg, Urteil v. 24.11.2014, S 48 SO 399/11; Mecke, in: jurisPK-SGB XII, § 91 Rz. 12). Kann der Vermögensinhaber über das Vermögen voraussichtlich nicht in angemessener Zeit (i. d. R. 12 Monate) verwerten, ist die Leistung als Zuschuss zu gewähren (vgl. hierzu ausführlich die Komm. zu § 90 Rz. 13). Kann der Vermögensinhaber über das Vermögen voraussichtlich innerhalb angemessener Zeit, nicht aber sofort verfügen, liegt ein Fall des § 91 vor. Soweit ein sofortiger Verbrauch oder eine sofortige Verwertung möglich ist und keine Härte i. S. d. § 91 Satz 1 darstellt, ist eine Leistung ausgeschlossen.

2.1 Sofortiger Verbrauch oder Verwertung unmöglich

 

Rz. 7

Die erste Alternative der darlehensweisen Leistungsgewährung nach § 91 setzt voraus, dass ein sofortiger Verbrauch oder eine sofortige Verwertung unmöglich ist. Maßgeblich ist insbesondere, dass der Bedarf nicht so lange Aufschub duldet, bis die Vermögensverwertung erfolgt ist, also z. B. weil noch zu beseitigende Vermögensbeschränkungen bestehen oder weil noch Geld transferiert werden muss, ein Grundstücksverkauf oder eine -belastung anstehen oder eine Nachlassauseinandersetzung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 91 Rz. 9; Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 91 Rz. 25). Ist die Sache allerdings auf Dauer nicht verwertbar, handelt es sich nicht mehr um verwertbares Vermögen i. S. d. § 90. Die Leistung muss dann ohne Berücksichtigung des Vermögensgegenstandes als Zuschuss erbracht werden.

2.2 Härtefälle

 

Rz. 8

"Härte" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum und nicht identisch mit dem Härtebegriff in § 90 Abs. 3 Satz 1 (BVerwG, Urteil v. 14.5.1969, V C 167.67; Dauber, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 91 Rz. 13). Die Regelungen in § 90 Abs. 3 und § 91 Satz 1 unterscheiden sich dadurch, dass bei § 90 Abs. 3 der Einsatz oder die Verwertung des Vermögens zu jeder Zeit eine Härte bedeuten würde, während § 91 nur den sofortigen Verbrauch bzw. die sofortige Verwertung erfasst und den Hilfesuchenden davor schützt, das grundsätzlich verwertbare Vermögen unwirtschaftlich verwerten zu müssen (Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 91 Rz. 1). Eine Härte i. S. d. § 90 Abs. 3 schließt bereits die Verwertung des Vermögens aus, mit der Folge, dass der Vermögensgegenstand nicht nach § 90 Abs. 1 zur...

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