0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft. Sie übertrug im Wesentlichen inhaltsgleich den bisherigen § 88 BSHG. Die Verordnungsermächtigung des § 88 Abs. 4 BSHG wurde in Angleichung an die Systematik des Sozialgesetzbuches an das Ende des Kapitels gestellt (§ 96 Abs. 2). Nicht übernommen wurde der bisherige § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG. Dieser wurde dadurch obsolet, dass mit Inkrafttreten des SGB IX die Prüfung der Bedürftigkeit bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen entfiel (BT-Drs. 15/1514 S. 66 zu § 85).

Durch Art. 2 des Betriebsrentenstärkungsgesetzes v. 17.8.2017 (BGBl. I S. 3214) wurde Abs. 2 Nr. 2 zum 1.1.2018 teilweise redaktionell neu gefasst und korrespondierend zu der Regelung des Einkommensfreibetrags für zusätzliche Altersvorsorge in § 82 Abs. 4 und 5 ergänzt (BT-Drs. 780/16 S. 45).

Die rein redaktionelle Änderung des Abs. 3 Nr. 3 durch Art. 13 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. S. 3234) war aufgrund der Neuregelung der Eingliederungshilfe im Neunten Buch zum 1.1.2020 notwendig (BT-Drs. 18/9522 S. 345).

Nach der Neuregelung der Eingliederungshilfe im Neunten Buch zum 1.1.2020 findet § 90 in diesem Bereich nur noch im Rahmen der Verweisung des § 139 Satz 2 SGB IX Anwendung.

Aus Anlass der COVID-19-Pandemie wurde zum 28.3.2020 § 141 in das SGB XII eingefügt, und zwar durch Art. 5 des Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleiter aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) v. 27.3.2020 (BGBl. I S. 575). Nach § 141 Abs. 2 wird abweichend von § 90 Vermögen für die Dauer von 6 Monaten nicht berücksichtigt, wenn das Vermögen nicht erheblich ist. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die leistungsnachsuchenden Personen dies im Antrag erklären. Die Bundesregierung ist nach Abs. 6 der Übergangsregelung ermächtigt, den 6-Monats-Zeitraum längstens bis zum 31.12.2020 zu verlängern.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift führt den Begriff des "Vermögens" ein, ohne ihn jedoch zu definieren. Gleichzeitig stellt der Gesetzgeber in Abs. 1 klar, dass das verwertbare Vermögen grundsätzlich einzusetzen ist. Abs. 2 umschreibt das Schonvermögen, während Abs. 3 Härtefälle erfasst.

2 Rechtspraxis

 

Rz. 3

Aus dem Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 ergibt sich, dass eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers nicht besteht, wenn der Hilfesuchende sich durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder Leistungen von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. § 2 Abs. 1 stellt allerdings keine isolierte Ausschlussnorm dar, was sich insbesondere aus der Systematik es SGB XII ergibt (vgl. BSG, Urteil v. 29.9.2009, B 8 SO 23/08 R). § 90 konkretisiert das allgemeine Nachrangprinzip in Bezug auf den Vermögenseinsatz und regelt in welchem Rahmen ein Hilfesuchender vorhandenes Vermögen einsetzen oder ausnahmsweise nicht einsetzen muss.

 

Rz. 4

Bei der Leistungsberechnung ist das Vermögen des Hilfesuchenden sowie der in §§ 19 Abs. 3, 20, 27 Abs. 2 und 43 Abs. 1 genannten Personen zu berücksichtigen, also das Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners, des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft und, wenn der Hilfesuchende minderjährig und unverheiratet ist, auch das Vermögen der Eltern (Einsatzgemeinschaft). Dies gilt auch für die Leistungen des § 74 (Übernahme von Bestattungskosten, vgl. BSG, Urteil v. 4.4.2019, B 8 SO 10/18 R). Für lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften gilt dies durch die Inbezugnahme des § 20 Satz 1 auch für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bereits für Zeiträume vor der Anpassung des § 43 Abs. 1 Satz 2 zum 1.1.2011 (vgl. BSG, Urteil v. 18.7.2019, B 8 SO 6/18 R). Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass im Rahmen einer Einsatzgemeinschaft die Personen einander auch tatsächlich die entsprechenden Unterstützungsleistungen erbringen. Werden Unterstützungsleitungen entgegen dieser Annahme nicht erbracht, kann eine sog. unechte Sozialhilfe nach § 19 Abs. 5 gegen Ersatz der Aufwendungen zu leisten sein (vgl. BSG, Urteil v. 6.12.2018, B 8 SO 2/17 R).

2.1 Grundsatz (Abs. 1)

 

Rz. 5

Nach Abs. 1 ist grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen.

2.1.1 Vermögensbegriff

 

Rz. 6

Der Begriff des Vermögens wird gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des BSG fallen hierunter grundsätzlich alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte, soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind (vgl. BSG, Urteil v. 18.3.2008, B 8/9b SO 9/06 R, Rz. 15; Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 19/10 R; Urteil v. 9.12.2016, B 8 SO 15/15 R

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