0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift übertrug inhaltsgleich den bisherigen § 15 BSHG und ist gemäß Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zum 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft getreten.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Bestattungskosten sind nicht Teil der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Verstorbenen. Darauf, ob dieser zu Lebzeiten Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII war, kommt es nicht an (BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R; BVerwG, Urteil v. 18.10.1979, V C 63.77, FEVS 28 S. 1; Urteil v. 22.2.2001, 5 C 8/00, FEVS 52 S. 441). Abzustellen ist vielmehr auf die Leistungsfähigkeit der/des zur Bestattung verpflichteten Erben bzw. der nach öffentlichem Recht zur Totensorge verpflichteten natürlichen Person. Bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen sind – insoweit anders als bei § 1968 BGB – nicht die Kosten einer "standesgemäßen" Bestattung, sondern lediglich die "erforderlichen" Bestattungskosten erstattungsfähig, sofern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit vorliegt (BVerwG, Urteil v. 5.6.1997, 5 C 13/96, FEVS 48 S. 1). Im Gegensatz zu anderen Bedarfsfällen, bei denen der Träger der Sozialhilfe den Bedarf im Ganzen zu decken hat, fasst § 74 von vornherein die Möglichkeit eines bloßen Kostenzuschusses ins Auge ("soweit", hierzu Kunz, in: Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand Juni 2003, § 15 Rz. 1). Die Menschenwürde wird durch den Verweis auf ein "Armenbegräbnis" nicht angetastet (LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 4.12.2006, L 9 SO 19/06; a. A. allerdings ohne inhaltliche Begründung OLG München, Beschluss v. 4.4.2007, 33 Wx 228/06).

2 Rechtspraxis

2.1 Antrag und Frist

 

Rz. 2a

Für die Übernahme von Bestattungskosten ist ein Antrag erforderlich (Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 74 Rz. 22), der allerdings an keine Frist gebunden ist (Hess. LSG, Urteil v. 28.4.2010, L 6 SO 135/08; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 21.7.2008, L 9 SO 10/07 PKH). Der Antrag muss insbesondere nicht vor der Bestattung gestellt werden (BVerwG, FEVS 48 S. 1). Es genügt auch, wenn der Anspruch nach der Bestattung geltend gemacht wird (Hess. LSG, a. a. O.; LSG Schleswig-Holstein, a. a. O.). Allerdings wird aus einer verspäteten Antragstellung teilweise hergeleitet, dass dann Zweifel an der fehlenden Zumutbarkeit der Kostenübernahme bestehen (vgl. Hess. LSG, a. a. O., und LSG Schleswig-Holstein, a. a. O.).

2.2 Anspruchsberechtigte

 

Rz. 3

Möglicher Anspruchsberechtigte nach § 74 ist diejenige natürliche Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB XII, die zivil- oder öffentlich-rechtlich verpflichtet (nicht: berechtigt) ist, die Kosten der Bestattung eines inländischen Verstorbenen zu tragen (BSG, Urteile v. 29.9.2009, B 8 SO 23/08 R, und v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R), also vorrangig der Erbe (BVerwG, Urteil v. 5.6.1997, 5 C 13/96, FEVS 48 S. 1; OVG Nordrhein-Westfalen, FEVS 48 S. 446; OVG Schleswig-Holstein, FEVS 51 S. 231). Für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland gilt der Leistungsausschluss nach § 24 Abs. 1 Satz 1. Auch für inländische Leistungsberechtigte, die Kosten aufgrund eines Todesfalls außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs des SGB XII zu tragen haben, greift § 74 nach seinem Sinn und Zweck als Sozialhilfevorschrift nur ausnahmsweise und grundsätzlich nur dann ein, wenn auch die verstorbene Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuvor im Bundesgebiet hatte (dann allerdings können auch Rückführungskosten aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG bei Tod eines nächsten Familienangehörigen i. S. d. § 56 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB I erstattungsfähig sein). Verpflichteter i. S. d. § 74 ist nicht, wer nur Veranlasser bzw. Auftraggeber der Bestattung ist, auch wenn er damit regelmäßig gegenüber dem Bestattungsunternehmen eine Zahlungsverpflichtung eingeht (BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R; BVerwG, FEVS 48 S. 1; OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 18.3.1999, 1 L 37/98, juris).

 

Rz. 4

Das bedeutet: Ist kein solcher Verpflichteter vorhanden, hat der Träger der Sozialhilfe nichts mit den Beerdigungskosten zu tun (a. A. Linhart/Adolph/Gröschel-Gundermann, BSHG, Stand April 2004, § 15 Rz. 7, die meinen, der Träger der Sozialhilfe müsse wegen der kurzen Bestattungsfrist vorleisten; ebenso wohl auch Birk, in: LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 15 Rz. 9; hierzu vgl. Rz. 17 f.). Die Bestattungskosten müssen dann (ggf. vorläufig im Wege der Ersatzvornahme bzw. der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag) von der örtlichen Ordnungsbehörde getragen werden (vgl. Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002 S. 917).

2.2.1 Zivilrechtlich Totensorge-Verpflichtete

 

Rz. 5

Wer Erbe geworden ist, wird nach Zivilrecht, einschließlich des internationalen Privatrechts, festgestellt. Eine etwaige Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I ist dabei irrelevant, da diese nur Leistungen i. S. d. § 11 SGB I erfasst (Mrozynski, SGB I, 3. Aufl. 2003, § 56 Rz. 2). Ist deutsches Zivilrecht anwendbar, sind der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft (§ 1968 BGB) bzw. nachrangig zu diesen die Unterhaltspflichtigen (§ 1615 Abs. 2, § 1360a Abs. 3, § 1361 Abs. 4...

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