Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Bestattungsvorsorgevertrag. Grabpflegestiftung. Härtefall. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verwertung von Mitteln aus einem Bestattungsvorsorgevertrag ist nicht generell als Härte iS von § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 anzusehen. Vielmehr müssen die Gesamtumstände des Einzelfalles das Vorliegen einer Härte ergeben.

2. Eine Härte nach § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 kann bei Bestattungsvorsorgeverträgen und Grabpflegestiftungen nur in Ausnahmefällen angenommen werden.

3. Ebenso wenig, wie der Bezug von Sozialhilfe zu Lebzeiten einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellt, verstößt ein Begräbnis, für das der Sozialhilfeträger gemäß § 74 SGB 12 die Kosten zu übernehmen hat, gegen die Menschenwürde.

 

Orientierungssatz

1. Eine Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann weder unter den Begriff "angemessene Lebensführung" noch unter den Begriff Aufrechterhaltung einer "angemessenen Alterssicherung" (§ 88 Abs 3 S 2 BSHG bzw § 90 Abs 3 S 2 SGB 12) subsumiert werden. Eine Auslegung dahingehend, dass der Lebensabschnitt "Alter" auch den diesen Lebensabschnitt abschließenden Todesfall umfasst, überdehnt den Gesetzeswortlaut.

2. Der Wunsch, mit einem Bestattungsvorsorgevertrag und einer Vorsorge für die Grabpflege die Belastung von Angehörigen zu verhindern, ist sozialhilferechtlich nicht schützenswert.

3. Die "Umwidmung" von Sparguthaben durch Einzahlung in einen Bestattungsvorsorgevertrag sowie in eine Grabpflegestiftung in Kenntnis dessen, dass in kürzester Zeit durch den Heimbezug Sozialhilfebedürftigkeit eintreten wird, kann nicht zur Annahme einer Härte führen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme ungedeckter Heimkosten durch den Beklagten.

Die am … 1921 geborene Klägerin befand sich im Februar 2003 in Kurzzeitpflege und lebt seit dem 19. März 2003 in der DRK-Seniorenwohnanlage in B.. Bereits am 24. Januar 2003 hatte die Schwester der Klägerin, Frau K., einen Betrag von 3.410,00 EUR in eine Stiftung zwecks “Pflege der Grabstätte 14/9 n.H. (H.)„ eingezahlt. Und am 27. Januar 2003 erfolgte die Wertstellung von 5.000,00 EUR zugunsten eines Bestattungsvorsorgetreuhandvertrages. Diese Beträge stammen von einem Sparbuch der Klägerin.

Am 24. März 2003 stellte diese einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten bei dem Beklagten, welcher mit Bescheid vom 21. Mai 2003 abgelehnt wurde wegen vorhandenen Vermögens der Klägerin. Als Vermögen wurden die Beträge der Stiftung für die Grabpflege und des Bestattungsvorsorgevertrages angesehen.

Am 28. Juni 2004 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Dieser wurde mit Bescheid vom 10. August 2004 abgelehnt mit der Begründung, die Beträge aus dem Bestattungsvorsorgevertrag und der Stiftung für die Grabpflege seien als Vermögen anzusehen, welches zur Deckung des Lebensunterhaltes einzusetzen sei. Dagegen legte die Klägerin am 15. August 2004 Widerspruch ein.

Auf Betreiben der Betreuerin der Klägerin genehmigte das Amtsgericht Husum am 18. August 2004, den Bestattungsvorsorgevertrag auf einen Betrag von 2.800,00 EUR herabzusetzen.

Am 7. Januar 2005 ging bei dem Verwaltungsgericht Schleswig ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage mit dem Ziel der Übernahme der ungedeckten Heimkosten der Klägerin durch den Beklagten ein, der mit Beschluss vom 24. Januar 2005 an das Sozialgericht Schleswig verwiesen wurde. Dieses lehnte mit Beschluss vom 9. März 2005 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Auf die Beschwerde der Klägerin wurde der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. März 2005 abgeändert und der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. O., B., bewilligt (Beschluss vom 11. August 2005 - L 9 B 75/05 SO PKH).

Bereits am 8. April 2005 hatte die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten gestellt (S 11 SO 78/05 ER), der mit Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 28. April 2005 abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei nicht ersichtlich, denn es sei der Antragstellerin zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Auf die Beschwerde der Antragstellerin (L 9 B 109/05 SO ER) wurde der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 28. April 2005 geändert und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Hilfe zur Pflege ohne Anrechnung von Vermögen zu gewähren. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Anordnungsgrund gegeben sei und auch ein Anordnungsanspruch, denn bei der gebotenen Folgenabwägung sei das Interesse der Antragstellerin daran, dass die begehrte einstweilige Anordnung zu ihren Gunste...

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