Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Bestattungskosten. Antragstellung. angemessene Frist. keine analoge Anwendung des § 27 SGB 10

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger nach § 74 SGB 12 stellt einen sozialhilferechtlichen Anspruch eigener Art dar. Diesem steht nicht entgegen, dass die Bestattung bereits vor Unterrichtung des Sozialhilfeträgers durchgeführt worden ist bzw die Kosten seiner Entscheidung beglichen worden sind. § 18 SGB 12 ist hierauf nicht anwendbar.

2. Wird die Kostenübernahme nicht binnen angemessener Frist nach Klärung der Kostentragungspflicht beantragt, sind regelmäßig Zweifel an der Unzumutbarkeit ihrer Tragung angezeigt. Bei der Angemessenheit der Frist ist von einem Zeitraum von ein bis zwei Monaten nach dem Todesfall auszugehen.

3. Ein Zeitraum von rund 14 Monaten ab Rechnungsstellung des Bestattungsunternehmens bis zur Antragstellung stellt in jedem Fall keine angemessene Frist iS des § 74 SGB 12 dar.

4. Eine analoge Anwendung des § 27 SGB 10 kommt nicht in Betracht.

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt A-L P. aus S. zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten in Höhe von 4.517,50 EUR gemäß § 74 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), für ihre am 3. Januar 2004 verstorbene Mutter hat, wie sie mit Schreiben vom 29. Januar 2004 vom Bestattungsinstitut gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellt wurden und bezüglich derer diese mit Schreiben vom 31. März 2005 am 4. April 2005 beim Amt Sa. einen “Antrag auf Beerdigungskostenbeihilfe„ stellte, den die Beklagte abschlägig beschied.

Im anschließenden gerichtlichen Verfahren hat das Sozialgericht Schleswig die Klage mit Urteil vom 29. August 2007 - zugestellt am 22. Oktober 2007 - abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die endgültige Kostentragung sei für die Klägerin nicht unzumutbar. Bei der Auslegung des Zumutbarkeitsbegriffs in § 74 SGB XII sei auch die seit der Bestattung verstrichene Zeit ein wesentlicher Aspekt. Je später der Anspruch auf Bestattungskostenübernahme dem Sozialhilfeträger gegenüber geltend gemacht werde (hier erst nach mehr als 13 Monaten), desto eher sei eine endgültige Verpflichtung des Bestattungskostenpflichtigen zu bejahen und desto gewichtiger müssten die Umstände sein, die im Einzelfall die verspätete Geltendmachung der Ansprüche zu rechtfertigen und somit doch noch die Unzumutbarkeit der Kostentragung zu begründen geeignet seien. Daran gemessen sei die Kostentragung durch die Klägerin angesichts aller hier relevanten Umstände nicht unzumutbar.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12. November 2007 eingelegten Berufung; sie beantragt zugleich, ihr Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu gewähren.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren hat keinen Erfolg.

Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist den Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn - neben hier dem Grunde nach nicht zweifelhaften Voraussetzungen - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (vgl. Philippi in: Zöller, Kommentar zur ZPO, § 114, Rdnr. 19 m.w.N.). Es ist zu berücksichtigen, dass das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern lediglich zugänglich machen will. Dem genügt § 114 Satz 1 ZPO dadurch, dass er die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erst bei sicherer, sondern bereits bei hinreichender Erfolgsaussicht vorsieht. Deren Feststellung soll mithin nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses anstelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet andererseits zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, S. 341; BSG, SozR 3-1500, § 62 Nr. 19).

Danach hat die Klägerin hier keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht für das Berufungsverfahren fehlt.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften benannt und dargelegt, dass im Zusammenhang mit dem Zumutbarkeitsbegriff des § 74 SGB XII hier zu berücksichtigen se...

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