Rz. 2

Eine Vorgängerregelung zur heutigen Vorschrift befand sich in § 23 BSHG. Eine Parallelregelung enthält § 21 SGB II. Zu gewissen Unstimmigkeiten in diesem Zusammenhang vgl. Rz. 13 und 23. Abs. 1 Satz 1 entspricht dem früheren § 23 Abs. 1 Satz 1 BSHG. Die Abs. 2 bis 5 entsprechen den alten Vorschriften in § 23 Abs. 1a bis 4 BSHG. Abs. 6 vereinfachte die alte Regelung des § 23 Abs. 5 BSHG (vgl. Rz. 59 ff.). Die Besitzstandsregelung in § 23 Abs. 1 Satz 2 BSHG wurde nicht übernommen (vgl. VG München, Beschluss v. 20.1.2005, M 15 E 04.6316), um bestehende Ungleichbehandlungen mit dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) v. 26.6.2001 sowie mit den neuen Bundesländern zu beseitigen (BT-Drs. 15/1514 S. 60 zu § 31). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2010, B 8 SO 9/09 R, mit zust. Anm. von Trenk-Hinterberger, SGb 2012 S. 157). Der zum 1.1.2011 angefügte Abs. 7 ist inhaltlich identisch mit § 21 Abs. 7 SGB II.

 

Rz. 3

Sinn der Regelung ist es, für bestimmte Personengruppen, deren Bedarf typischerweise über den Regelbedarf des § 27a Abs. 2 Satz 1 hinausgeht, pauschalierend bestimmte Beträge festzulegen, die diesen Mehrbedarf abdecken. Der konkrete Betrag ergibt sich aus einem Prozentsatz des für den jeweiligen Berechtigten maßgebenden Regelbedarfes (Ausnahme: Krankenkost vgl. Rz. 44 ff.). Die in den einzelnen Absätzen genannten Prozentsätze sind niedriger als die in § 23 BSHG. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1514 S. 60 zu § 31) handelt es sich bei der Absenkung um eine Folgeänderung aufgrund der Neukonzeption der Regelsätze (vgl. dazu die Komm. zu § 27a). Aufgrund der umfassenden Pauschalierung des Regelsatzes ergab sich ein höherer Bezugsbetrag für die in § 30 genannten Prozentsätze. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die tatsächliche Höhe der Mehrbedarfszuschläge im Wesentlichen unverändert bleibt.

 

Rz. 4

Welche konkreten Bedarfe mit dem Mehrbedarfszuschlag abgegolten sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Mehrbedarfe erfasst sind, die typischerweise mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Mehrbedarfszuschlag einhergehen. Dies sind beispielsweise erhöhte Telefonkosten, Fahrtkosten, höhere Kosten für Ernährung oder kleinere Entgelte für erforderliche Hilfeleistungen Dritter. Im Einzelfall kann die Abgrenzung aber schwierig werden. Ansatzpunkte für eine Klärung können sich ggf. aus Heft 55 der "kleineren Schriften" des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ergeben. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 29.9.2009, B 8 SO 5/08 R Rz. 13, mit Anm. von Wendt, RdLH 2010 S. 22) sind Erkenntnisse über den genauen Inhalt des von der jeweiligen Regelung abgedeckten Mehrbedarfes auch aus der historischen Entwicklung der Norm sowie den tatbestandlichen Voraussetzungen, an die sie anknüpft, zu gewinnen (vgl. zu weiteren Einzelheiten auch Rz. 8; Heinz, ZfF 2009 S. 12, und ZfF 2015 S. 33 betreffend die Hintergründe der Regelung; Simon, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 202014, Stand: 14.5.2020, § 30 Rz. 20 ff., 59 ff.).

 

Rz. 5

Da es sich auch bei dem Mehrbedarfszuschlag um eine Pauschale handelt, ist er grundsätzlich in der gesetzlich definierten Höhe zu zahlen. Bei einem tatsächlich höheren Mehrbedarf kann aber nach oben abgewichen werden (vgl. Rz. 37). Dies wird in den jeweiligen Absätzen durch den Wortlaut "…, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht …" klargestellt. Auch ein Abweichen nach unten ist nicht von vornherein ausgeschlossen, bedarf aber einer stichhaltigen Begründung, insbesondere vor dem Hintergrund der jeweiligen Mehrbedarfsregelung (vgl. zur Zulässigkeit der Kürzung von Mehrbedarfszuschlägen insbesondere: OVG NRW, Urteile v. 20.3.1991, 8 A 2093/88, und v. 14.10.1991, 24 A 2230/89; Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 06/2015, § 30 Rz. 2). Die Regelung des § 27a Abs. 4 Satz 1 kann daneben und/oder darüber hinaus keine Anwendung finden, weil sie nur für erhöhte Regelbedarfe gilt. Die vom Gesetzgeber vorgegebene Trennung in Regelbedarf einerseits und Mehrbedarf andererseits ist grundsätzlich weiterhin zu beachten (so zutreffend auch Simon, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 14.5.2020, § 30 Rz. 59; missverständlich Falterbaum, a. a. O., Rz. 4). Es taucht dann allerdings die im Einzelfall möglicherweise nicht einfach zu beantwortende Frage auf, ob der konkrete (erhöhte) Bedarf dem Regel- oder dem Mehrbedarf zuzuordnen ist (hierzu auch Rz. 4 und z. B. Rz. 23 sowie Simon, a. a. O.; Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 30 Rz. 19, 28). Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Mehrbedarfszuschlages nicht vor, ist zu prüfen, ob ggf. die Erhöhung von Leistungen über § 27a Abs. 4 Satz 1 in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil v. 10.11.2011, B 8 SO 12/10 R Rz. 30).

 

Rz. 6

Da die Vorschrift auf die "maßgebende Regelbedarfsstufe" abstellt, gelten die Mehrbedarfszu...

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