10-Wochen-Frist gilt für Krankenkassen bei Reha-Aufforderung

Eine wirksame Aufforderung stellt einen erheblichen Eingriff in die Rechte des arbeitsunfähigen Versicherten dar. Was Krankenkassen dabei zu beachten haben erfahren Sie in diesem Kapitel.

Die Krankenkasse fordert auch dann wirksam auf, wenn sie in der Sache richtig entschieden aber den einen oder anderen Verfahrensfehler begangen hat. Rechtswidrig bedeutet nicht gleich unwirksam. Natürlich hat die Krankenkasse sich an bestimmte Regeln zu halten. Sonst macht sie sich und ihren Bescheid angreifbar.

Vorgang der Aufforderung ernst nehmen

Die Krankenkasse erlässt nämlich einen Verwaltungsakt, mit dem sie ihren Versicherten auffordert, einen Reha-Antrag zu stellen. Der Versicherte ist gut beraten, diesen Vorgang ernst zu nehmen. Sonst riskiert er sein Krankengeld und damit auch seinen beitragsfreien Versicherungsschutz. Er ist dem Vorgehen der Krankenkasse aber auch nicht schutzlos ausgeliefert. Über die Form der Aufforderung ist dem Sozialgesetzbuch nichts zu entnehmen. Die Aufforderung kann also formlos (z. B. mündlich oder fernmündlich) erfolgen. Die Krankenkasse wird allerdings regelmäßig die Schriftform wählen.

Hinweis: Wer arbeitsunfähig ist und einen Krankengeldanspruch hat, kann von der Krankenkasse zum Reha-Antrag aufgefordert werden. Dies ist sogar dann möglich, wenn noch Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bezogen und Krankengeld tatsächlich nicht ausgezahlt wird.

Versicherter wird vor der Aufforderung „angehört“

Zu einer ordentlich (also rechtmäßig) durchgeführten Anhörung gehört es, dem Versicherten vor der Aufforderung zum Reha-Antrag die Möglichkeit einzuräumen, sich zu äußern. Leider geschieht das in der Praxis nicht immer. Die Krankenkasse kann die zunächst unterlassene Anhörung nachholen, wenn der Versicherte z. B. einen Widerspruch gegen die Aufforderung einlegt.

Weiterhin gehört zu einer Anhörung, dass die Krankenkasse ihrem Versicherten mitteilt, welche Entscheidung sie beabsichtigt und auf welche Tatsachen sie sich dabei stützt. Dabei hat sie auch anzugeben, wie sie ihr Ermessen ausgeübt hat. Das kann schriftlich, am Telefon oder persönlich erfolgen.

Hinweis: Es ist ausreichend, wenn die Krankenkasse die Anhörung ermöglicht. Der Versicherte muss sich nicht tatsächlich äußern.

Empfehlenswert ist eine Äußerung, um frühzeitig ein berechtigtes Interesse des Versicherten darzulegen, den Rentenbeginn oder den Reha-Antrag hinauszuschieben. Die Krankenkasse hat das Interesse des Versicherten zu berücksichtigen, wenn es das Interesse der Krankenkasse an der Aufforderung und den daraus entstehenden Folgen überwiegt. Der Wunsch, statt der häufig geringeren Rente ein höheres Krankengeld bis zum Ablauf der Höchstbezugsdauer zu beziehen oder die zusätzliche Anrechnung rentenrelevanter Zeiten aufgrund der Arbeitsunfähigkeit, reicht dafür nicht aus.

Krankenkasse muss Einsicht in die Akten gestatten

Bevor sich der Versicherte oder sein Rechtsbeistand äußert, ist ein Blick in die Akten angebracht. Insbesondere das Gutachten des MD ist interessant. Die Krankenkasse muss die Akteneinsicht in ihren Geschäftsräumen gestatten. Wenn ein Rechtsanwalt bevollmächtigt wird, dann ist es durchaus üblich, diesem die Akten in seine Geschäftsräume zu übersenden.

Der Versicherte hat Zeit, sich mit der drohenden Aufforderung und ihren Folgen vertraut zu machen und seine Gründe vorzutragen, warum die Krankenkasse davon absehen sollte. Die Sozialgerichte sind der Auffassung, dass für eine Äußerung des Versicherten mindestens 2 Wochen einzuräumen sind.

10-Wochen-Frist muss beachtet werden

Wenn sich die Krankenkasse (ggf. trotz gegenteiliger Argumente ihres Versicherten) entschließt, die Aufforderung zum Reha-Antrag auszusprechen, hat der Versicherte von diesem Zeitpunkt ausgehend eine Frist von 10 Wochen zu beachten. Innerhalb dieser Frist ist der Antrag zu stellen. Das kann auch am letzten Tag der Frist geschehen. Die Frist verlängert sich auf den nächstfolgenden Werktag, wenn ihr Ende auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt.

Die Aufforderung ist ein Verwaltungsakt. Wird er wirksam bekanntgegeben, ist der Versicherte verpflichtet, den Antrag ohne Einschränkungen zu stellen. Es ist nicht ausreichend, den Antrag vorsorglich und gleichzeitig „ruhend“ zu stellen.

Beispiel (Fristverlauf): Eine Krankenkasse fordert zum Reha-Antrag auf. Das Schreiben trägt das Datum vom 6.3.2023 und wird am 8.3.2023 zur Post gegeben. Damit hat die Krankenkasse einen Verwaltungsakt erlassen, der mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt (hier: 11.3.2023; auch wenn es sich dabei um einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag handelt). Die Frist endet mit dem 20.5.2023 (Samstag). Sie verlängert sich auf den nächstfolgenden Werktag (22.5.2018, Montag).

Achtung: Kürzere Fristen sind rechtswidrig. Die Frist von 10 Wochen ist gesetzlich geregelt und kann von der Krankenkasse nicht verkürzt oder verlängert werden. Die Frist ist von der Krankenkasse ausreichend bestimmt anzugeben und muss hinsichtlich ihres Verlaufs bzw. Endes vom Versicherten eindeutig bestimmbar sein.

Mitteilung an die Rentenversicherung

Die Krankenkasse informiert die RV darüber, wenn sie eine Aufforderung zum Reha-Antrag ausspricht. Das hat für den Versicherten die unangenehme Folge, dass er das weitere Vorgehen der RV kaum noch beeinflussen kann. Insbesondere ein mögliches Rentenverfahren und eine Frühverrentung sind durch den Versicherten nicht zu verhindern.

Krankenkasse fordert Rentenantrag

Krankenkassen fordern ihre versicherten Krankengeldbezieher gelegentlich auf, direkt einen Rentenantrag zu stellen (ohne zuvor zum Reha-Antrag aufzufordern). Das kann getrost als freundliche Empfehlung verstanden werden, die ohne Risiko zu ignorieren ist.

Ausnahme: Der Krankengeldbezieher ist in dem Alter, in dem er eine Altersrente beantragen könnte (65+) oder er hält sich gewöhnlich im Ausland auf. In diesen Ausnahmefällen ist die Krankenkasse berechtigt, zum Rentenantrag aufzufordern. Die Folgen sind die gleichen wie bei der Aufforderung zum Reha-Antrag.