Baulärm im Urlaub: Gewährleistungsansprüche

Die „beliebteste“ Mängelrüge gegenüber Reiseveranstaltern schlechthin, das ist die Dauerbelästigung durch Baulärm vor oder sogar im Hotel. Aber auch die bis in die frühen Morgenstunden dröhnende Disco kann den Erholungswert eines Urlaubs senken. Wann kann gemindert werden, wann bestehen gar Schadensersatzansprüche?

Wenn die für viel Geld gebuchte Reise nach Mauritius beim Frühstück vom Lärm der Presslufthämmer, beim Mittagessen von der kreischenden Kreissäge, im weiteren Tagesverlauf zusätzlich durch das laute Rufen der Bauarbeiter begleitet wird, ist der Entspannungseffekt des Urlaubs nur gering.

Baulärm im Urlaub: Exakte Beschwerden erleichtern Minderung des Reisepreises

Nach der Rechtsprechung ist die Höhe der Minderung in diesen Fällen stets abhängig von der Beurteilung des Einzelfalls, das heißt, es ist exakt vorzutragen und womöglich zu dokumentieren, über welche Zeiträume, zu welchen Tageszeiten und mit welcher Intensität oder Penetranz die Lärmbelästigung erfolgte. 

Lärmtagebuch hebt die Minderungsquote 

Wem es nicht zu aufwändig ist, der kann in solchen Fällen ein Lärmtagebuch führen, in dem er die unterschiedlichen Geräuschintensitäten und Belästigungen festhält.

  • Darüber hinaus sind Fotos, z.B. von der Baustelle (Bauarbeiter mit Presslufthammer) sinnvoll, um in einem späteren Prozess die Lärmbelästigung plastisch deutlich zu machen.
  • Je genauer die Belästigungen später beschrieben werden können, umso höher ist der zu erzielende Minderungsbetrag
  • bzw. die bei ganz erheblichen Beeinträchtigungen mögliche Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden. 

Richtiges Rügen der Reisemängel: die Mängelanzeige

Heimlich Leiden ist nicht hilfreich. Wichtig ist die sofortige Rüge vor Ort gegenüber der Reiseleitung, die bei täglicher Lärmbelästigung am besten mehrfach wiederholt vorzutragen ist.

  • Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern (§ 651c Abs. 2 BGB).
  • Ist die Reise mangelhaft, kann der Reisende Abhilfe verlangen 
  • und für die Dauer der Mangelhaftigkeit den Reisepreis mindern.

Voraussetzung ist aber, dass er vorher dem Veranstalter die Mangelhaftigkeit angezeigt hat, damit dieser Abhilfe schaffen kann (§ 651d Abs. 2 BGB).

  • Gegebenenfalls kann man sich ein geführtes Lärmtagebuch von der Hotelleitung oder Reiseleitung abzeichnen lassen.

Wichtig: Innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise sind die Mängel und die daraus resultierenden Minderungs- und Schadensersatzansprüche schriftlich geltend zu machen.

Die Anzeige eines Reisemangels durch den Reisenden ist nicht schon deshalb entbehrlich, weil dem Reiseveranstalter der Mangel bereits bekannt ist (BGH, Urteil v. 19.07.2016, X ZR 123/15).

Welche Minderungsbeträge üblich sind

In einem Extremfall, in dem das Hotel selbst die lärmende Baustelle war, hat das LG Frankfurt den Lärmopfern eine Preisminderung von 60 % des Reisepreises und zusätzlich Entschädigung wegen nutzlos vertaner Urlaubszeit  in Höhe von 450 EUR pro Person zugesprochen (LG Frankfurt, Urteil v. 26.07. 2010, 2 – 24 S 135/09), das AG Hannover in einem ähnlichen Fall 50% Minderung plus Schadenersatz (AG Hannover, Urteil v. 11.10.2007, 504 C 4712/07).

Baustelle unmittelbar vor dem Hotel 

Bei der Baustelle unmittelbar vor dem Hotel mit Presslufthammer- und Kreissägelärm in den Tagesstunden gewährte das LG Frankfurt eine Minderung von 35 % des Reisepreises (LG Frankfurt, Urteil v. 30.07.2012, 2 – 24 O 31/12).

Für eine Beeinträchtigung durch Baulärm auf Bali in dem täglichen Zeitraum 8:30 Uhr bis 17:30 Uhr sprach das AG Köln den Reisenden ein Recht zur Reisepreisminderung von zwei Dritteln des Reisepreises zu (AG Köln, Urteil v. 28.08.2007, 133 U 640/05).

Für eine Lärmbeeinträchtigung durch Bulldozer auf einer in der Nachbarschaft des Hotels befindlichen Baustelle ist demgegenüber nur eine Minderungsquote von 25 % angemessen (AG Köln, Urteil v. 28.08.2003, 135 C 5 182/02).

Nachts dröhnt es aus der Freiluftdisco 

Befindet sich eine Freiluftdisco am Pool, die jede Nacht von 22:00 Uhr bis 5:00 Uhr morgens betrieben wird und findet der Hotelgast deswegen keinen Schlaf, so ist eine Reisepreisminderung von 60 % sowie infolge des mangelnden Erholungswerts eine zusätzliche Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden zu gewähren (AG Köln, Urteil v. 13.05.2008 133 C 533/06).

Anders verhält es sich allerdings, wenn bereits der Reiseprospekt auf die zu erwartende Lärmbelästigung deutlich und ausdrücklich hinweist, in diesem Fall geht der Reisende leer aus (AG Baden-Baden, Urteil v. 09.05.2005, 16 C 339/04).

Selbst wenn ein Hinweis auf Baulärm erst mit der Buchungsbestätigung erfolgt, besteht kaum mehr Aussucht auf Minderung ( AG München, Urteil v. 10.11.2015, 159 C 9571/15).

Hoteleigenen, durch das Unterhaltungsprogramm verursachten Lärm hat der Reisende grds. hinzunehmen, wenn im Prospekt auf entsprechendes Animationsprogramm oder Abendveranstaltungen hingewiesen wird, solange sie nicht über Mitternacht hinausgehen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 10.2.2015, 21 U 149/14).

Kinderlärm ist (meist) kein Reisemangel

Beschwerden wegen Kinderlärms kommen bei Richtern nicht gut an. Dies gilt auch für Hotels der gehobenen Kategorie. Ein Ehepaar, das sich wegen Kinderlärms im Speiseraum beim Abenddinner, beim Frühstück und am Pool beschwerte, ließen die Richter abblitzen. Argumentation: Kinderlärm gehört zum täglichen Leben. Dass Kinder schon mal Lärm machen, das weiß jeder vernünftig denkende Mensch und das kindliche Gezwitscher, selbst wenn es sich gelegentlich zum Gebrüll auswächst, begründet keinen Reisemangel (LG Kleve, Urteil v. 20.12.1996, 6 S 34/96).

Anders kann die Sache aussehen, wenn im Prospekt ein besonders ruhiges Hotel angeboten wurde und das Mindestalter der Hotelgäste mit 18 Jahren ausgewiesen war. Vor diesem Hintergrund sei die Anwesenheit von 20 Kindern, die bei verschiedenen Gelegenheiten Lärm verursachten, als Abweichung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit der Reise anzusehen. Die Lärmbelästigung durch die Kinder kann daher in diesem Fall als Reisemangel zu werten sei. Aber: Verglichen mit Baulärm ist die Belästigung durch einige lärmende Kinder an der Untergrenze, bei 10 % anzusiedeln, zumal Kinderlärm in einem gewissen Rahmen sozialadäquat sei (AG Hannover, Urteil v. 11.7.2014, 6 S 34/96).


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Hintergrund:

Was ist mit dem Wetter?

Grundsätzlich werden Kataloginformationen  in der Regel als Bestandteil der reisevertraglichen Vereinbarungen angesehen. Dies gilt jedoch nicht für Angaben zum Wetter am Urlaubsort.

Beim Wetter handele sich um ein natürliches Risiko, das jeder Reisende selbst zu tragen hat und für das der Reiseveranstalter mangels Einflussmöglichkeit nicht verantwortlich ist.

Ein verständiger durchschnittlicher Reisender könne grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass Angaben zum Wetter für den Reiseveranstalter verbindlich seien in der Form, dass bei Abweichungen Regressansprüche für den Reisenden entstünden (LG Hannover, Urteil v. 17.08.2009, 1 O 209/07).