Reiserücktritt: Depressive werden benachteiligt

Einige Reiserücktrittsversicherungen schließen in ihren AGB den Versicherungsschutz für bestimmte Krankheiten aus. Beliebt ist der Ausschluss insbesondere für psychische Erkrankungen. Das Erstaunen der Versicherungsnehmer ist dann groß, wenn die Versicherung trotz klarer Krankheitsdiagnose nicht zahlt.

Ein Paar hatte im April 2012 eine Pauschalreise nach Cancun in Mexiko zum Preise von 3.481 EUR gebucht. Da die Reise erst ein halbes Jahr später beginnen sollte, schloss das Paar für den Fall einer Erkrankung eine Reiserücktrittsversicherung ab. Bereits einen Monat nach Reisebuchung erlitt der männliche Part eine mittelgradige Depression, die ihm die Teilnahme an der Reise unmöglich machte. Das Paar erklärte darauf die Stornierung der Reise und verlangte von der Reiserücktrittsversicherung die Erstattung der Stornokosten in Höhe von 2.161 EUR.

Psychische Erkrankungen sind nicht versichert

Zur Verwunderung des Paares lehnte die Reiserücktrittsversicherung eine Erstattung der Stornokosten ab. Begründung: In den von der Reiserücktrittsversicherung verwendeten AGB sei der Versicherungsschutz für den Fall einer psychischen Erkrankung ausgeschlossen. Da eine Depression eindeutig eine psychische Erkrankung darstelle, sei die Versicherung nicht eintrittspflichtig. Diese überraschende Antwort der Versicherung wollte das Paar nicht gelten lassen und klagte vor dem AG. 

Ausschluss des Versicherungsschutzes für psychische Krankheiten ist nicht überraschend.

Die zuständige Richterin des AG München prüfte darauf, ob die Klausel überraschend war und das Paar unangemessen nach § 307Abs. 1 BGB benachteiligte. Überraschend ist eine solche Klausel nach Auffassung der Amtsrichterin dann, wenn ihr Inhalt nach den Umständen so ungewöhnlich ist, dass der Durchschnittskunde mit einer solchen Regelung nicht rechnen musste.

Das Pärchen hatte nach eigenen Angaben mit dieser Klausel nicht gerechnet, hätte dies nach Auffassung des AG aber müssen. In anderen Versicherungszweigen – so die Amtsrichterin – etwa bei der Unfallversicherung oder der Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung sei die Rechtmäßigkeit solcher Ausschlussklauseln anerkannt. Dies sei ein starkes Indiz dafür, dass der unbefangene Kunde mit einer solchen Ausschlussklausel auch bei der Reiserücktrittsversicherung rechnen müsse und daher nicht von einem Überraschungseffekt gesprochen werden könne. 

Kunde muss AGB auch lesen 

Nach Auffassung des AG kann von einem durchschnittlichen Kunden erwartet werden, dass er die ihm überlassenen AGB auch liest. Hätte das Paar getan – so das AG – so hätte es den Versicherungsausschluss ohne weiteres sehen und verstehen können. Dieser sei klar und deutlich formuliert an der nach den Versicherungsbedingungen systematisch richtigen Stelle deutlich erkennbar eingefügt. Die Regelung lasse keinen Zweifel offen, dass die Versicherung im Falle einer psychischen Erkrankung nicht zahle.

Begriff der psychischen Erkrankung ist allgemein verständlich.

Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei dem Begriff der psychischen Erkrankung auch um einen allgemein gebräuchlichen Krankheitsbegriff. Auch in der Laiensphäre werde eine Depression ohne weiteres als psychische Erkrankung gewertet, so dass die Einordnung für das Paar nicht hätte zweifelhaft sein können.

Keine Gefährdung des Vertragszwecks.

Nach Auffassung des AG ist der Ausschluss des Versicherungsschutzes für psychische Erkrankungen auch nicht so umfassend, dass damit der mit der Reiserücktrittsversicherung verfolgte Vertragszweck gefährdet sei. Für sämtliche physischen Erkrankungen bestehe ein weit gespannter Versicherungsschutz, so dass durch den Ausschluss psychischer Erkrankungen der Vertragszweck insgesamt nicht gefährdet werde..

Klausel dient auch dem Interesse der Versicherten.

Nach Auffassung des AG dient die Ausschlussklausel auch nicht einseitig den Belangen des Versicherers sondern auch den Versicherungsnehmern. Diese hätten nämlich ein Interesse an einer möglichst knappen Kalkulation der Tarife. Deshalb liege es auch im Interesse der Versicherten, dass Versicherungsschutz nur bei objektiv fassbaren, möglichst unproblematisch zu diagnostizierten Erkrankungen geleistet werde. Eine Diagnose sei bei psychischen Erkrankungen wesentlich schwieriger als bei physischen Erkrankungen und hänge stark von der persönlichen Disposition des Versicherten ab. Würde der Versicherungsschutz auch auf diese psychischen Erkrankungen erstreckt, müssten die Versicherungsnehmer mit deutlich höheren Tarifen rechnen. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Klausel daher angemessen und nicht zu beanstanden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Sichtweise auch von höheren Instanzen geteilt wird.

(AG München, Urteil v. 12. 06.2013, 172 C 3451/13).

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