Falsche Bewertung von Klausuren haben nicht immer Konsequenzen

Falsch angelegte Bewertungsmaßstäbe durch die Prüfer können, müssen aber nicht zu unterschiedlichen Punktbewertungen führen. Nur wenn das spekulative Ergebnis bei richtiger Korrektur eindeutig auf „bestanden“ umspringt, kommen Verdienstausfallschäden und erhöhte Studiengebühren als Schaden in Betracht.

Früh musste ein Jurist in eigener Sache lernen, dass man als manchmal einen langen Atem braucht, um vor Gericht zum erhofften Ergebnis zu gelangen.

Verzögerter Berufsstart nach erstem gescheitertem Prüfungsversuch

Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass der Kläger seine Klausuren für das erste juristische Staatsexamen (heute: staatliche Pflichtfachprüfung) im Freiversuch schrieb. Der mittlerweile 35-jährige Rechtsanwalt beschäftigt die Gerichte immer noch mit der Frage, ob

  • das Ergebnis, das von den damaligen Prüfern mit „mangelhaft“ bewertet wurde,
  • nicht doch auch ein gerade so „bestanden“ hätte sein können.

Für diesen Fall möchte er Schadensersatz haben, weil er dann früher ins Berufsleben und Geldverdienen eingestiegen wäre. Er meint, ihm seien

  • 105.000 EUR entgangen
  • und er hätte 1.645 EUR Studiengebühren gespart.

Vier von sechs Klausuren mangelhaft

Gegen den Prüfungsbescheid vom 7.9.2007 legte der Jurastudent seinerzeit Widerspruch ein. Vier seiner sechs Aufsichtsarbeiten wurden mit zwei bzw. drei Punkten bewertet. Um eine Klausur zu bestehen hätte er mindestens vier Punkte gebraucht. Die staatliche Pflichtfachprüfung war damit nicht bestanden. Da es der Freiversuch war, zählte das Ergebnis nicht. Der Prüfling konnte den regulären ersten Versuch unternehmen, was der Kläger auch etwas später erfolgreich tat.

OVG stellt fehlerhafte Bewertungen fest

Die Art und Weise der Bewertung seiner Arbeiten ärgerte den Prüfling so sehr und so nachhaltig, dass er bis heute dagegen vorgeht. Nachdem auch der Widerspruchsbescheid keine Änderung brachte, klagte er vor dem Verwaltungsgericht. Nach Klageabweisung fand er 2012 bei den Richtern des OVG Münster erstmals Gehör mit seiner Kritik an den Prüfern. Sie befanden die Korrektur tatsächlich für fehlerhaft.

  • Vertretbare Lösungen des Prüflings seien zu Unrecht nicht beachtet worden.
  • Außerdem hätten Erst- und Zweitprüfer im Rahmen der Widerspruchsprüfung keine gemeinsame Bewertung abgeben dürfen. Vielmehr muss jede Arbeit von zwei Prüfern selbständig und unabhängig begutachtet werden (§ 14 Abs.1 S.1 JAG).

Klage auf Schadensersatz vor Zivilgerichten

Mit dem Urteil des OVG Münster in der Tasche machte sich der nunmehrige Rechtsanwalt zur ordentlichen Gerichtsbarkeit auf, um seinen Schadensersatzanspruch zu verfolgen. Bislang ohne Erfolg. Sowohl das LG Münster als auch das OLG Hamm sehen die Kausalitätskette für den Amtshaftungsanspruch als nicht geschlossen an. Sie bejahen

  • die schuldhafte Amtspflichtverletzung 
  • wegen fehlerhaft angelegter Bewertungsmaßstäbe bei der Klausurenbewertung,
  • wobei sie das fahrlässige Verschulden der Prüfer dem Land zurechnen.

Hätte auch bei fehlerfreier Kurrektur vielleicht nicht gereicht

Allerdings konnten die Zivilrichter – nach Auswertung der eingeholten Sachverständigengutachten – nicht feststellen, dass

  • bei fehlerfreier Anwendung der Bewertungsmaßstäbe
  • die Klausuren bestanden worden wären.
  • Durchaus möglich blieb, dass es bei dem enttäuschenden Ergebnis geblieben wäre.

Der ehemalige Jurastudent blieb damit den Beweis schuldig, dass sich die Dinge anders und vor allem seine Vermögenslage günstiger entwickelt hätten. Der Jurist gibt nicht auf. Er hofft jetzt auf eine ihm günstige Entscheidung beim BGH.

(OLG Hamm, Urteil v. 8.12.2017, 11 U 104/16; Revision anhängig, BGH III ZR 22/18).

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Schlagworte zum Thema:  Recht, Rechtsprechung, Studium, Schadensersatz