Entscheidungsstichwort (Thema)

Kausalität von Bewertungsfehlern einer Prüfungsleistung für Vermögensschäden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bewertungsfehler bei Prüfungsleistungen begründen nur dann einen Anspruch auf Ersatz von Vermögensschäden infolge verspäteten Einstiegs in das Berufsleben, wenn bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe die Prüfungsleistung besser hätten bewertet werden müssen und die bessere Bewertung die Annahme rechtfertigt, dass die Prüfung eher bestanden worden wäre.

2. Die Bewertung einer Prüfungsleistung liegt im sachgerecht auszuübenden Ermessen der Prüfer und erfordert regelmäßig nicht die Vergabe einer bestimmten Note. Vielmehr verbleibt den Prüfern ein Beurteilungsspielraum, in welchem Maße sie Vorzüge und Schwächen einer Prüfungsleistung gewichten, sofern sie dabei vertretbare Beurteilungsmaßstäbe anlegen.

 

Normenkette

BGB §§ 252, 839; GG Art. 34

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 11 O 505/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30.06.2016 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern das beklagte Land vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz aufgrund eines Bescheides des Justizprüfungsamtes beim Oberlandesgericht Hamm vom 07.09.2007, mit welchem seine staatliche Pflichtfachprüfung (erstes juristisches Staatsexamen) aufgrund der Bewertung von 4 Aufsichtsarbeiten mit "mangelhaft" für nicht bestanden erklärt wurde, nachdem das OVG Münster mit Urteil vom 18.04.2012 zum Az. 14 A 2687/09 die bei den beiden Klausuren im öffentlichen Recht angewendeten Prüfungsmaßstäbe beanstandet und somit die Rechtswidrigkeit des Bescheides festgestellt hatte.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Q sowie dessen ergänzender mündlicher Anhörung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem beklagten Land zwar eine Amtspflichtverletzung zur Last falle, weil aufgrund der Feststellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Bindungswirkung für den Zivilprozess feststehe, dass der Prüfungsbescheid vom 07.09.2007 und der daraufhin ergangene Widerspruchsbescheid vom 04.04.2008 rechtswidrig gewesen seien. Bezüglich der Fehler bei der Bewertung der Klausuren des Klägers aus dem öffentlichen Recht I und II (im Folgenden: öR I und öR II) liege auch ein Verschulden vor, weil die Beanstandungen der Prüfer nicht vertretbar gewesen seien. Ein Verschulden entfalle auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Kollegialitätsrichtlinie, weil das Verwaltungsgericht Münster die Klage des Klägers zunächst abgewiesen habe, insofern aber durch den Einzelrichter entschieden habe. Soweit jedoch das JPA die Prüfer aufgefordert habe, im Überdenkungsverfahren eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben, entfalle der Schuldvorwurf, weil dieses Vorgehen einer seit vielen Jahren praktizierten Verwahrungsweise entspreche. Indes lasse sich die Kausalität der Pflichtverletzungen für den geltend gemachten Schaden nicht feststellen. Der Kläger trage die Beweislast, dass er ohne die fehlerhafte Entscheidung die Prüfung bestanden hätte. Dabei sei nur zu prüfen, ob sich die Bewertung der Prüfer im Rahmen des prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums halte, der nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Eine völlige Neubewertung der Klausuren sei unzulässig, weshalb die eigene Bewertung der Klausuren durch den Sachverständigen Prof. Dr. Q nicht maßgeblich sei. Vielmehr sei nach dessen Ausführungen nicht feststellbar, in welchem Umfang sich der Bewertungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt habe, denn die Klausur öR I bewege sich im Bewertungsbereich zwischen 3 und 4 Punkten. Bei Vermeidung des Korrekturfehlers unterliege die Vergabe der höheren Punktzahl dem Wohlwollen des Prüfers. Auch die Klausur öR II sei bei Annahme der Vertretbarkeit der Ausführungen des Klägers zur Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zwingend mit 4 Punkten zu bewerten gewesen.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger zunächst gegen die Annahme der Schuldlosigkeit hinsichtlich der Aufforderung an die Prüfer zur gemeinsamen Stellungnahme im Überdenkungsverfahren. Er habe in Erfahrung gebracht, dass eine derartige Übung nicht bestanden habe. Zudem seien schon zuvor in Rechtsprechung und Literatur Einzelstellungnahmen verlangt worden und hätte das JPA die Unzulässigkeit der Praxis erkennen müssen. Daher sei die Kausalitätsprüfung auch auf das Überdenkungsverfahren zu erstrecken und hätten insofern die Stellungnahmen der Prüfer ...

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