Schulrecht: Klage gegen Abiturnoten: Viel Lärm um (meist) nichts

Viele Streitigkeiten um Schulnoten landen vor Gericht. Dort wird vor allem bei den Abiturnoten um jede Zahl hinter dem Komma gekämpft. Das ist auch kein Wunder. Denn trotz des zunehmenden Fachkräftemangels sind viele Studienfächer immer noch mit einem Numerus Clausus belegt. Auch begehrte Ausbildungsplätze gibt es nur, wenn Bestnoten im Zeugnis stehen.

Das Abitur hat mittlerweile einen unglaublichen Stellenwert für viele Familien erhalten. Beim "Kampf" um eine erfolgreiche Zukunft des Nachwuchses wird nicht nur jede Menge Geld für Nachhilfeunterricht in die Hand genommen, um nicht auf einen avisierten Studienplatz verzichten zu müssen, wird immer öfter auch geklagt.

Noten sind Auslegungssache

Langwierige Prozesse mit ungewissen Aussichten – so könnte man die Klagen gegen Noten kurz zusammenfassen.

  • Nur etwa jedes fünfte Verfahren vor dem Verwaltungsgericht endet mit einem Erfolg des Schülers.
  • Viele Bestimmungen im Schulrecht, so auch die Umschreibung der Leistungen, die zu einer Benotung führen, sind auslegungsbedürftig; die Lehrer haben hier einen relativ weiten Spielraum.
  • Einen "Sieg" können die Benoteten meist nur davontragen, wenn grobe Verstöße der Lehrer zur schlechteren Note geführt haben.

Der Streit um die Zahl hinter dem Komma

Das musste kürzlich auch ein Schüler aus der Region Trier erfahren. Er versuchte gerichtlich durchzusetzen, dass das Bundesland Rheinland-Pfalz seine Abiturnote von 1,6 auf 1,5 anhebt.

  • Er war der Auffassung, dass der Berechnungsmodus, der zur Gesamtnote führt, rechtswidrig sei:
  • Er hatte in der Qualfikationsphase vor dem Abitur keine Facharbeit geschrieben und damit statt der möglichen 44 Einzelleistungen nur 43 erbracht;
  • trotzdem sei zur Ermittlung der Gesamtnote die erreichte Punktsumme durch 44 geteilt worden.
  • Eine Division durch 43 hätte zu einem Durchschnitt von 1,5 geführt.

Die Nichterbringung der freiwilligen Facharbeit habe sich für ihn daher nachteilig ausgewirkt.

Benotungsmodus für Pflichtkurse und freiwillige Facharbeit  angegriffen

Der Schüler scheiterte zunächst vor dem Verwaltungsgericht Trier und dann auch vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Die Richter sahen in dem durch die Abiturprüfungsordnung für Gymnasien und Integrierte Gesamtschulen vorgegebenen Benotungsmodus für Pflichtkurse und freiwillige Facharbeit kein Verstoß gegen höherrangiges Recht oder allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze.

Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Insbesondere einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz schlossen die Richter aus.

Jeder Schüler habe in gleicher Weise die Gelegenheit, durch die fakultative Facharbeit zusätzliche Punkte zu erzielen – und auch ohne die Facharbeit werde die durchschnittliche Leistung aus den verpflichtenden Kursen systemgerecht in der Gesamtnote abgebildet.

Auch eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Schülern an beruflichen Gymnasien und Kollegs, wo keine Facharbeit geschrieben werde, schlossen sie aus. Dort sei eine ganz andere Einführungsphase zum Abitur vorgesehen. 

(OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.06.2015, 2 A 10910/14.OVG).



Hinweis: Nach welchen Kriterien überprüfen Gerichte Noten?

Die Gerichte haben den Grundsatz aufgestellt, dass die Benotung der Leistung eines Schülers eine subjektive, auf unterschiedlichen Komponenten beruhende Bewertung des Lehrers ist. Der dem Lehrer zustehende individuelle Beurteilungsspielraum ist nur eingeschränkt justiziabel. Die Entscheidung über Versetzung und Nichtversetzung beinhaltet eine Prognose darüber, ob der Schüler die nächst höhere Klassenstufe wird erfolgreich durchlaufen können.

Überprüfbar sind hierbei folgende Faktoren:

  • Hat der Lehrer den der Benotung zugrunde liegenden Sachverhalt zutreffend und vollständig erfasst?
  • Hat er in die Benotung sachfremde Erwägungen einfließen lassen?
  • Lassen sich offensichtliche Einschätzungs- und Bewertungsfehler erkennen?
  • Wurde das Gleichbehandlungsgebot beachtet?
  • Ist das vorgeschriebene Verfahren beachtet worden? 



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