Lehrer konfisziert Schülerhandy: Persönlichkeitsrechtsverletzung?

Ein Klassenlehrer nahm einem Schüler sein Handy weg und der stellvertretende Direktor der Schule behielt das Schülerhandy sogar über ein gesamtes Wochenende ein. Der Schüler und seine Eltern bewerteten dies als  rücksichtslose Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte und zogen vor Gericht – zu ihrem Unmut leider vergeblich.

In dem vom VG Berlin entschiedenen Fall besuchte ein fünfzehnjähriger Schüler die neunte Klasse und nervte an einem Freitag den Klassenlehrer mit ständigem Herumspielen an seinem Handy und störte dadurch massiv den Unterricht. In der letzten Unterrichtsstunde wurde es dem Lehrer dann zu dumm, er konfiszierte das gute Stück. Als der Schüler nach Unterrichtsende sein Handy herausverlangte, verweigerte der Lehrer ihm die Rückgabe und übergab stattdessen das Handy dem stellvertretenden Schulleiter.

Schüler-Handy blieb das ganze Wochenende in der Schule

Auch der stellvertretende Schulleiter war nicht bereit, dem Schüler das Handy auf dessen Verlangen wieder auszuhändigen. Er erklärte ihm, er sei nur bereit, das Handy an die Eltern herauszugeben. Diese könnten das Handy am Montag bei ihm abholen. Am darauf folgenden Montag nahmen die Eltern des Schülers das Handy im Schulsekretariat wieder in Empfang.

Erboste Eltern legen „Widerspruch“ ein

Die empörten Eltern beschwerten sich ob der getroffenen Maßnahme bei dem Schulleiter der Schule mit einem Schreiben, das sie als „Widerspruch“ bezeichneten.

Sie forderten den Schulleiter auf, verbindlich festzustellen, dass die Maßnahmen des Lehrers und des stellvertretenden Schulleiters rechtswidrig gewesen seien.

Der Schulleiter wiederum hielt es nicht für nötig, dieses Schreiben zu beantworten. Kurz darauf wechselte der Schüler die Schule.

Eltern monieren unerträgliche Demütigung ihres Sohnes

Sowohl der Schüler als auch seine Eltern fühlten sich durch die Nichtbeantwortung ihres als Widerspruch deklarierten Schreibens zu Unrecht zurückgesetzt und reichten beim zuständigen VG Klage ein mit dem Begehren, die Rechtswidrigkeit der Einziehung des Handys sowie der verweigerten Herausgabe über das gesamte Wochenende festzustellen.

  • Zur Begründung verwiesen sie in erster Linie ein angebliches Rehabilitationsinteresse des Schülers.
  • Dessen Ehre und Glaubwürdigkeit vor der Klassengemeinschaft und der Lehrerschaft sei durch die zu Unrecht erfolgte Einziehung des Handys in unerträglicher Weise in Mitleidenschaft gezogen worden.
  • Das Verhalten des Lehrers und des stellvertretenden Schuldirektors sei für den Schüler demütigend gewesen und habe ihn in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. 

VG verneint Feststellungsinteresse

Das Gericht bewertete die eingereichte Klage schon als unzulässig.

  • Eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO setze ein besonderes Feststellungsinteresse voraus.
  • An diesem fehle es hier schon deshalb, weil der Schüler die Schule gewechselt habe
  • und daher keine Wiederholungsgefahr bestehe.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BVerwG setze die Wiederholungsgefahr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit voraus, dass unter im wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Maßnahme nochmals ergehen könnte (BVerwG, Urteil v. 16.5.2013, 8 C 14.12). Eine solche Gefahr sei hier schon infolge des Schulwechsels nicht zu erkennen.

Konfiszierung als erzieherische Maßnahme gerechtfertigt

Aber auch materiellrechtlich sah das VG die Einziehung des Handys als zulässig an. Gemäß § 62 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 des Schulgesetzes des Landes Berlin sei eine solche Maßnahme eines Lehrers zur Abwendung von Störungen des Unterrichts im Rahmen seiner Erziehungsarbeit grundsätzlich zulässig.

Die Verwahrung des Handys über das gesamte Wochenende sei dieser erzieherischen Maßnahme zwar nicht mehr unbedingt zuzuordnen, der Schulleiter sei aber berechtigt gewesen, die Herausgabe des Handys von der Entgegennahme durch einen Erziehungsberechtigten abhängig zu machen. Dies sei wegen des Wochenendes erst am darauf folgenden Montag möglich gewesen.

Kein hinreichendes Rehabilitierungsinteresse

Das VG verneinte auch das von dem Schüler und seinen Eltern geltend gemachte Rehabilitierungsinteresse.

  • Bei objektiver und vernünftiger Gesamtwürdigung der Verhältnisse komme der Einziehung in diesem eng begrenzten Einzelfall ein diskriminierender Charakter nicht zu.
  • Auch seien keine konkreten abträglichen Nachwirkungen der Maßnahme erkennbar.
  • Eine Zukunftsprognose ergebe, dass durch die inzwischen komplett erledigte schulische Maßnahme für den Schüler weder berufliche noch persönliche Nachteile in irgendeiner Weise zu befürchten seien.
  • Auch eine negative Stigmatisierung des Schülers durch die Maßnahme konnte das VG nicht erkennen. 

Ein Wochenende ohne Handy ist kein Grundrechtseingriff

Schließlich sah das VG auch keinen Anlass, eine Verletzung der Grundrechte des Schülers anzunehmen. Insbesondere sei die zeitliche Intensität der Beeinträchtigung durch die erzieherische Maßnahme so gering, dass von einem Grundrechtseingriff nicht die Rede sein könne. Dies gilt nach Auffassung des VG sowohl für die

  • mögliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder der allgemeinen Handlungsfreiheit des Schülers nach Art.1,2 GG,
  • dessen nach Art. 14 GG geschützten Eigentumsrecht an dem Handy
  • oder auch für das Erziehungsrecht der Eltern gemäß Art. 6 GG.

Das VG wies daher die Klage in vollem Umfang ab.

(VG Berlin, Urteil v. 4.4.2017, 3 K 797.15):

Danke!

Fazit:  Der Fall ist ein Beispiel dafür, in welch tiefgreifender Weise der kleine handliche Gegenstand Handy - oder auch Smartphone - nicht nur das Denken, sondern auch die Wertvorstellungen der Menschen verändert hat, dies so sehr, dass manche schon einen kurzzeitigen Verzicht auf das lieb gewonnene Gerät als tiefgreifenden Eingriff in ihr verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht empfinden.

Zum Glück hat das VG Berlin aber einer überzogenen Betrachtungsweise und einer damit verbundenen unangemessenen Ausuferung von Rechtspositionen eine klare Grenze gesetzt und den Erziehungsbefugnissen von Lehrern den Vorrang eingeräumt.

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