Keine Pauschgebühr für podcastenden Pflichtverteidiger


Keine Verteidiger-Pauschgebühr für True-Crime-Podcaster

Sein True-Crime-Podcast kostete einen Pflichtverteidiger die Pauschgebühr. Nachdem er in seinem Podcast ausführlich über ein anhängiges Strafverfahren geplaudert hatte, versagte ihm das OLG die Festsetzung der Pauschgebühr

Die Tätigkeit eines Pflichtverteidigers wird nicht immer angemessen vergütet. Dass die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren nicht immer ausreichend sind, hat auch der Gesetzgeber gesehen. Das RVG bietet daher für besonders beanspruchte Pflichtverteidiger in komplexen Strafverfahren die Möglichkeit der Beantragung einer Pauschgebühr. Voraussetzung für die Festsetzung ist, dass die vom Gesetz vorgesehenen Pflichtverteidigergebühren in Anbetracht des Umfangs oder der Schwierigkeit eines Strafverfahrens für den Verteidiger nicht zumutbar sind.

Pflichtverteidiger im „Starnberger Dreifachmord“

Im konkreten Fall hatte der Anwalt in dem beim OLG München geführten und in den Medien als „Starnberger Dreifachmord“ bekannt gewordenen Verfahren einen Angeklagten zunächst als Wahlverteidiger vertreten. Bereits am 2. Verhandlungstag wurde er als Pflichtverteidiger beigeordnet. Nach 80 Verhandlungstagen wurde der von dem Pflichtverteidiger vertretene Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Mordes in 3 Fällen zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt.

Pflichtverteidiger beantragte Pauschgebühr

Wegen der Komplexität des Falles und der Dauer des Strafverfahrens beantragte der Pflichtverteidiger beim OLG erfolglos die Festsetzung einer Pauschvergütung in Höhe von 72.000 EUR. Der Senat gestand dem Pflichtverteidiger allerdings zu, dass er in einem umfangreichen und komplexen Verfahren tätig war, was grundsätzlich die Festsetzung einer Pauschgebühr rechtfertigen würde. Dies folge schon aus den bei Anklageerhebung ca. 12.500 Seiten umfassenden Verfahrensakten. Die von der Bezirksrevisorin festgesetzten Pflichtverteidigergebühren in Höhe von ca. 57.000 EUR seien isoliert betrachtet zu niedrig.

Pauschgebühr nur bei Unzumutbarkeit der Pflichtverteidigergebühren

Die für die Festsetzung einer Pauschgebühr einschlägige Vorschrift des § 51 RVG erlaubt die Festsetzung unter der Voraussetzung, dass eine Vergütung nach den normalen Pflichtverteidigergebühren für den Anwalt nicht zumutbar ist. Diesen Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit sah das OLG als nicht gegeben an. Begründung: Der Verteidiger habe zum einen bereits im Ermittlungsverfahren von seinem Mandanten ein Pauschalhonorar in 5-stelliger Höhe erhalten, zum zweiten habe der Verteidiger in seinem True-Crime-Podcast für die interessierte Hörerschaft ausführlich und unterhaltsam über seine Tätigkeit im Strafverfahren geplaudert und auch hierdurch weitere, nicht unerhebliche Einkünfte erzielt.

Gesamtbetrachtung bei Bewertung der Zumutbarkeit

Das OLG stellte klar, dass die Frage der Zumutbarkeit der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren einer Gesamtbetrachtung zu unterwerfen ist. Dabei seien auch finanzielle Vorteile zu berücksichtigen, die der Verteidiger infolge seiner Beiordnung aus einer außergerichtlichen Tätigkeit erzielt. Der Antragsteller gestalte gemeinsam mit einer Hörfunkmoderatorin den Podcast „Bayern3 True Crime“. In diesem Podcast bespreche der Verteidiger mit der Moderatorin regelmäßig diverse Kriminalfälle und Gerichtsverhandlungen, bei denen er oft selbst als Verteidiger mitwirkt. Der Talk über den Dreifachmord von Starnberg habe sich über 6 Folgen hingezogen. Dabei habe er seinem Publikum Einblicke in Verfahrensabläufe gewährt, die sonst nur Verfahrensbeteiligten zugänglich sind.

Pflichtverteidiger trat auch bei Bühnenshows auf

Darüber hinaus habe der Anwalt auf diversen Bühnen bei Liveveranstaltungen mitgewirkt und seine Verteidigertätigkeit geschickt einer kommerziellen Zweitverwertung zugeführt. Die Preise für die Eintrittskarten bei solchen Veranstaltungen lägen zwischen 39,99 und 99,99 EUR. Dies sei ebenfalls eine zusätzliche Einnahmequelle für den Pflichtverteidiger.

Pauschgebühr setzt Sonderopfer voraus

Die auf diese Weise erzielten Einnahmen sind nach der Entscheidung des OLG bei der Bewertung der Zumutbarkeit der Pflichtverteidigergebühren zu berücksichtigen. Die gesetzlichen Gebühren seien nur dann unzumutbar, wenn der Pflichtverteidiger durch unangemessen niedrige Pflichtverteidigergebühren ein Sonderopfer erleide. Ein solches Sonderopfer entfalle aber, wenn der Pflichtverteidiger infolge seiner Beiordnung anderweitig finanzielle Vorteile erzielt, die er ohne die Beiordnung nicht erzielen würde.

Keine Pauschgebühr bei hohen Zusatzeinnahmen

Von einem Sonderopfer des Pflichtverteidigers infolge seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger kann nach der Bewertung des OLG im konkreten Fall in der Gesamtschau keine Rede sein. Ähnlich wie im Schadenersatzrecht, wo der Geschädigte den Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung gegen sich gelten lassen müsse, sei auch hier der Grundgedanke der Vorteilsausgleichung bei der Festsetzung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen.

Pauschgebühr abgelehnt

Im Ergebnis lagen damit die Voraussetzung für die Festsetzung einer Pauschgebühr nach Auffassung des OLG nicht vor.


(OLG München, Beschluss v. 29.4.2025, 1 AR 392/24)