Colours of law: Autsch! Tattoos im öffentlichen Dienst

Selbst großflächige Tätowierungen sind im öffentlichen Dienst kein Tabu mehr. Auch die Gerichte lassen Tattoos mehr und mehr zu. Allerdings darf immer noch nicht alles an abwegigen Inhalten tätowiert werden, was dem Betreffenden gefällt. Das noch akzeptable äußere Erscheinungsbild eines Beamten hat sich zwar gewandelt, hat aber nach wie vor Limitierungen. Krasse Tattoos gelten weiter als Eignungsmängel.

Immer noch lehnen öffentliche Arbeitgeber oftmals Bewerber für eine Stelle ab, wenn der Bewerber zum Vorstellungsgespräch mit großflächig aufgebrachten Tattoos auftaucht. Dies trifft auf den Bewerber um einen Job beim Finanzamt ebenso zu wie auf die Bewerbung zum Polizeidienst. Die Rechtsprechung reagierte auf dieses Problem in der Vergangenheit unterschiedlich, jedoch lässt sich eindeutig eine Tendenz zu einer immer größeren Tattoo-Akzeptanz der Gerichte feststellen.

Noch 2014 waren sichtbare Tattoos im Staatsdienst ein NoGo

Im Jahr 2014 hatte das OVG Münster im Fall eines Bewerbers für den Polizeivollzugsdienst entschieden, dass das Land NRW berechtigt sei, den Bewerber wegen sichtbarer großflächiger Tätowierungen abzulehnen (OVG Münster, Urteil v. 26.9. 2014, 6 B 1064/14).

  • Das OVG bewertete die der Ablehnung zu Grunde liegende Verwaltungsvorschrift des Landes, wonach sichtbare großflächige Tattoos nicht zum von der Öffentlichkeit erwarteten äußeren Erscheinungsbild eines Polizeibeamten passen, als rechtlich zulässig.
  • Die Verwaltungsvorschrift sei auch verhältnismäßig, da sie lediglich großflächige Tätowierungen im sichtbaren Bereich untersage und damit Tätowierungen nicht ausnahmslos verbiete. 

Tattoo-Toleranz der Gerichte nimmt zu

In einer neueren Entscheidung ist das VG Düsseldorf von dieser Bewertung des OVG deutlich abgerückt. Der Bewerber für den gehobenen Polizeivollzugsdienst hatte auf der Innenseite seines linken Unterarms großflächig einen Löwenkopf-Tätowierung. Seine Bewerbung wurde deshalb vom Land abgelehnt.

  • Die Einstellungsbehörde verwies in diesem Fall auf einen Erlass des Innenministeriums, wonach großflächige Tätowierungen im sichtbaren Bereich einen Eignungsmangel darstellen.
  • Nach Auffassung der Einstellungsbehörde könne eine solche Tätowierung, die beim Tragen der Sommeruniform erkennbar sei,
  •  die Autorität von Polizeibeamten deutlich beeinträchtigen. 

Tattoos sind gesellschaftlich akzeptiert

Das VG Düsseldorf hatte zunächst in einem Eilverfahren diese Ablehnung für rechtswidrig erklärt

  • Die Einstellung der Gesellschaft und die Akzeptanz von Tätowierungen habe sich erheblich gewandelt.
  • Eine Tätowierung auf dem Unterarm sei heute nicht mehr geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Eignung eines Beamten zu tangieren.
  • Allerdings wies das Gericht darauf hin, dass eine Ablehnung dann gerechtfertigt sein könne, wenn die Gestaltung der Tätowierung - zum Beispiel durch ein Gewalt verherrlichendes Motiv - zu der Tätigkeit des Beamten nicht passe.

Das Gericht hat das Land verpflichtet, den Bewerber auch zum weiteren Auswahlverfahren für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst zuzulassen (VG Düsseldorf, Beschluss v. 30.10.2017, 2 L 3279/17). Im weiteren Hauptsacheverfahren hat das Gericht die Eilentscheidung bestätigt (VG Düsseldorf, Urteil v.  8.5.2018, 2 K 15637/17).

Für Tattooverbote gilt der Gesetzesvorbehalt

Damit hat sich das Düsseldorfer VG der Rechtsprechung des BVerwG angeschlossen. Nach Auffassung des BVerwG ist die Anstellungskörperschaft darüber hinaus grundsätzlich nicht berechtigt, das Ausmaß von Tätowierungen bei Beamten durch Verwaltungsvorschriften zu regeln.

  • Die Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten stelle einen Eingriff in das durch Art. 2 GG geschützte Persönlichkeitsrecht dar
  • und setzte deshalb eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung voraus.

Verfassungsfeindliche Tattoos sind nicht erlaubt

Nach Auffassung der obersten Verwaltungsrichter darf die Anstellungskörperschaft aus der Gestalt und dem Inhalt einer Tätowierung allerdings Rückschlüsse auf die innere Haltung des Beamten, insbesondere auf seine Verfassungstreue ziehen. In dem vom BVerwG entschiedenen Fall trug ein Polizeikommissar des Landes Berlin mehrere Körpertätowierungen mit Kennzeichen verbotener Organisationen und nationalsozialistischen Symbolen. Wegen der damit transportierten Inhalte hatte das Land Berlin ein Disziplinarverfahren gegen den Polizeikommissar angestrengt und diesen aus dem Beamtenverhältnis entlassen.

Tattoos können Bekenntnisse zu einer Weltanschauung sein

Diese Entscheidung bestätigten die obersten Verwaltungsrichter. Nach Auffassung des BVerwG kann der Inhalt einer Tätowierung Aufschluss über die Verfassungstreue des Trägers geben:

  • Durch die Tätowierung werde der Körper bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt.
  • Die Tätowierung beinhalte in solchen Fällen eine plakative Kundgabe über die innere Einstellung des Betroffenen.
  • Mit der in die Haut eingebrachten Tätowierung bekenne sich der Träger dauerhaft auf besonders intensive Weise zu dem Inhalt der Tätowierung.
  • Eine Tätowierung mit nationalsozialistischem Inhalt widerspreche der Pflicht des Beamten zur unbedingten Verfassungstreue.
  • Hierbei sei nicht einmal erforderlich, dass die Tätowierung sich im sichtbaren Bereich befinde.
  • Ein solch intensives Bekenntnis zu verfassungswidrigen Zielen lasse eine innere Abkehr von den Fundamentalprinzipien der freilich demokratischen Grundordnung erkennen
  • und verletze das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtsausübung des Beamten nachhaltig.

Die obersten Verwaltungsrichter bewerteten daher die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als verhältnismäßig und rechtmäßig (BVerwG, Urteil v. 17.11.2017 2 C 25.17).

Die Gerichte haben den gesellschaftlichen Wandel weitgehend adaptiert

Die Zeiten in denen lediglich Seefahrer und Gefängnisinsassen Tattoos trugen, sind vorbei. Tattoos liegen im Trend.

Inzwischen haben zwischen 15 und 20 % der Deutschen eine Tätowierung, bei den unter 30-jährigen liegt die Zahl noch deutlich höher.

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Lediglich in einigen zivilrechtlichen Bereichen, so bei Bankangestellten, ist das großflächige Tattoo immer noch ein NoGo. Aber auch dort bleibt die Zeit nicht stehen.


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