BGH: Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung

Der Gesetzgeber schützt Mandanten vor unqualifizierter Rechtsberatung durch eine strenge Regulierung des Rechtsdienstleistungsmarktes, doch wo zieht der Bundesgerichtshof die Grenze zwischen erlaubter Rechtsdienstleistung und unerlaubter Rechtsberatung?

Der Gesetzgeber reguliert den Rechtsdienstleistungsmarkt streng. Dies tut er vorwiegend deswegen, um Mandanten vor unqualifizierter und schädlicher Beratung zu schützen. Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) legt zu diesem Zweck 2 wesentliche Punkte fest:

  • Was ist eine Rechtsdienstleistung?
  • Wer darf eine Rechtsdienstleistung erbringen?

Eine Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Wenn eine Frage gestellt wird, die eine Subsumtion auf einen Einzelfall erfordert, dann liegt eine Rechtsdienstleistung vor, § 2 Abs. 1 RDG. Die Inkassodienstleistung gilt auch als Rechtsdienstleistung, § 2 Abs. 2 RDG.

Zur Erbringung einer entgeltlichen Rechtsdienstleistung müssen Personen oder Gesellschaften durch Gesetz dazu berechtigt sein, § 3 RDG.

Das RDG nimmt Rücksicht auf diejenigen Bereiche, in denen eine selbstständige rechtliche Beratung nicht vorgenommen werden soll, sondern die Bearbeitung einer rechtlichen Frage ein bloßer untergeordneter Teil einer Gesamtleistung ist. Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten sind deswegen gestattet, § 5 RDG. Dort heißt es in Abs. 1:

„Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Andere Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 kann auch eine andere Rechtsdienstleistung sein.“

Wann genau der Rahmen des § 5 Abs.1 RDG überschritten ist, ist vom BGH, in seinem Urteil v. 9.11.2023, VII ZR 190/22 entschieden worden.

Sachverhalt der Entscheidung

Der Kunde eines Architekten verklagte diesen auf Schadensersatz. Der Architekt war damit beauftragt worden, Architektenleistungen der Leistungsphasen 1–8 gem. § 33 HOAI (2009) hinsichtlich des Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes zu erbringen. Im Zusammenhang mit dieser Leistung stellte der Architekt seinem Kunden einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten Skontoklausel zur Verfügung. Unter Verwendung dieses Bauvertragsentwurfs beauftragte der Kunde dann weitere Firmen für andere Dienstleistungen. Im Nachgang stellte sich bei einer gerichtlichen Überprüfung heraus, dass die Skontoklausel, die dem Kunden Geld sparen sollte, unzulässig gewesen ist. Der Kunde musste den einbehaltenen Rabatt auskehren. Dies machte der Kunde als Schaden gegenüber dem Architekten geltend.

Zulässige Vertragsgestaltung durch einen Architekten?

Der BGH hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass das Erstellen einer Vertragsklausel eine Rechtsberatung darstellt und diese Tätigkeit nicht ohne entsprechende Befugnis erbracht werden durfte.

Ein Architekt hat die Pflicht, die Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Dass diese Leistungen Berührungspunkte mit Rechtsfragen haben, erkennt das Gericht an und stellt klar, dass diese grundsätzlich von § 5 RDG erfasst wären. Es argumentiert, dass Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts schon zum Berufsbild des Architekten gehören würden und verweist auf die eigene Rechtsprechung, in der es heißt, der Architekt als geschäftlicher Oberleiter, sei sachkundiger Berater und Betreuer des Bauherrn und habe über nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B zu verfügen.

(BGH, Urteil v. 26.4.1979, VII ZR 190/78)

Wo ist die Grenze zwischen der notwendigen rechtlichen Beratung durch den Architekten und einer reinen Rechtsberatung?

Klarstellend führt der BGH aber aus, dass eine umfassende Rechtsberatung nur mit einer juristischen Qualifikation zulässig sein kann. Diese Grenze ergebe sich aus dem Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, den Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten.

Die konkrete Frage der Vertragsgestaltung betrifft eine Frage, die losgelöst von der Dienstleistung als Architekt ist und die so auch einem Anwalt zur Bearbeitung vorgelegt worden sein könnte. Ob ein Architekt eine solche Klausel erstellen und dazu beraten darf, beschränkt diesen auch gerade nicht in seiner eigenen Berufsausübung. Diese Kontrollüberlegung grenzt die streitgegenständliche Leistung von zulässigen Nebenleistungen ab.

Schon das Weiterreichen eines Blankovertrags kann eine Rechtsdienstleistung sein, wenn dazu eine Prüfung der Frage notwendig ist, welche Art von Vertragsverhältnis abgebildet werden soll. Die Prüfung, ob ein Miet- oder Leasingvertrag vorliegt, ist damit bereits eine Rechtsdienstleistung.

Wie sollte man mit Rechtsfragen von Kunden umgehen?

Nicht-anwaltliche Berufe laufen im Rahmen der Rechtsberatung grundsätzlich Gefahr, sich widerrechtlich zu verhalten. Die Folgen sind nichtige Honorarvereinbarung und/oder Schadensersatzansprüche. Sofern keine Gewissheit darüber besteht, ob die rechtliche Dienstleistung als Nebenleistung erfasst ist, sollte der Kunde auf das RDG verwiesen und ihm der Kontakt zu einem Rechtsanwalt geraten werden.

Der BGH festigt seine bisherige Rechtsprechung zu § 5 RDG und gibt der Praxis 2 Kontrollfragen an die Hand, ob man sich noch im Bereich des § 5 RDG befindet:

  • Wird die Rechtsberatung losgelöst von meiner eigentlichen Dienstleistung verlangt?
  • Muss ich diese Frage beantworten, um meinen Beruf ausüben zu können?

(BGH, Urteil von 9.11.2023, VII ZR 190/22)