BGH: Hanftee-Verbot soll Backen von Haschischkeksen verhindern

Der Verkauf von Hanftee verstößt gegen das Betäubungsmittelgesetz und ist strafbar, obwohl dessen Genuss als Tee keinen Rauschzustand hervorruft, denn der Verzehr von mit seiner Hilfe gebackenen Kuchen- oder Gebäck kann zu einem Rausch führen.

In einer Grundsatzentscheidung hat der 6. Strafsenat des BGH den Verkauf von Hanftee als strafbares Handeltreiben mit Betäubungsmitteln qualifiziert.

Hanftee in diversen Ladenlokalen vertrieben

Die Angeklagten betrieben in Braunschweig diverse Ladenlokale, die den örtlichen Behörden suspekt waren. Im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung entdeckten die Beamten aus EU-zertifiziertem Nutzhanf gewonnene Cannabispflanzenteile mit geringen THC-Gehalten von 0,08% bis 0,33%.

Feiertagskuchen oder Gebäck mit Hanftee kann Rausch verursachen

Nach den Feststellungen des LG war der von den Angeklagten vertriebenen Hanftee als mit Wasser aufgegossenes Endprodukt nicht geeignet, beim Nutzer einen rauschartigen Zustand herbeizuführen. Allerdings war nach den Erläuterungen eines herbeigezogenen Sachverständigen das Produkt zur Verwendung beim Backen von Kuchen oder Gebäck geeignet. Als Gebäck oder Kuchen genossen war das Ergebnis dann doch ein spürbarer Rausch beim Verzehrenden. Die Folgen des Konsums von Haschischplätzchen kann man in einer legendären Tatortfolge an zwei Münchener Kommissaren bewundern.

Hanftee ist ein Betäubungsmittel

Das LG bewertete den Tee daher als Betäubungsmittel gemäß Anlage I zu § 1 Abs. 1 BTMG. Nach Anlage Ib ist der Wirkstoff Cannabis von dem Verbot allerdings ausgenommen, wenn

  • das Cannabis aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifizierten Saatgut von bestimmten Sorten gemäß Art. 9 der Delegierten VO EU Nr. 639/2014 stammt oder
  • sein Gehalt an THC den Wert von 0,2% nicht übersteigt und
  • das Inverkehrbringen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient,
  • die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.

Verkauf an Konsumenten in Ausnahmefällen erlaubt

Das LG hatte angenommen, dass trotz dieser Ausnahmevorschrift der Verkauf zum Konsum an Endabnehmer grundsätzlich verboten ist. Dies stellte der BGH im Rechtsmittelverfahren nun richtig und wies darauf hin, dass bei Vorliegen der in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BTMG genannten Voraussetzungen auch der Verkauf an Endabnehmer zu Konsumzwecken erlaubt sein kann.

Missbrauch des Hanftees zu Rauschzwecken war nicht ausgeschlossen

Voraussetzung einer Ausnahme vom Verbot ist nach der Entscheidung des BGH in jedem Fall, dass ein Missbrauch des Cannabisprodukts zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist.

Insoweit hatte das LG nach Bewertung des BGH rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein Missbrauch bei dem von den Angeklagten vertriebenen Hanftee grundsätzlich nicht ausgeschlossen war, da er bei Verwendung in Kuchen oder Gebäck zu unerwünschten (oder möglicherweise erwünschten) Rauschzuständen führen konnte.

LG unterstellte einen Verbotsirrtum der Angeklagten

Das LG hatte insoweit zugunsten der Angeklagten unterstellt, dass diese einem schuldmindernden Verbotsirrtum erlegen seien, da nicht auszuschließen war, dass diese die Missbrauchsmöglichkeit nicht auf dem Schirm hatten.

Aufgrund dessen hatte das LG gegen die Angeklagten zwar mehrmonatige Freiheitsstrafen verhängt, diese aber sämtlich zur Bewährung ausgesetzt.

Revision der StA teilweise erfolgreich

Gegen das Urteil hatte die StA Revision eingelegt. Der BGH gab den Revisionsanträgen teilweise statt mit der Begründung, das LG habe nicht hinreichend sorgfältig geprüft, inwieweit der Vorsatz der Angeklagten möglicherweise doch einen Missbrauch des Tees zu Rauschzwecken in Form der Herstellung von Gebäck umfasste. Insbesondere im Zusammenhang mit den polizeilichen Durchsuchungen und Sicherstellungen habe für die Angeklagten spätestens ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer Strafbarkeit ihres Handelns zumindest nicht ferngelegen.

Urteil des LG hinsichtlich der Strafaussprüche aufgehoben

Vor diesem Hintergrund hob der BGH das erstinstanzliche Urteil begrenzt auf die Strafaussprüche auf. Die Vorinstanz muss zur Frage eines möglichen Verbotsirrtums weitere Feststellungen treffen und insbesondere die ausgeurteilten Strafhöhen neu bewerten.

(BGH, Urteil v. 24.3.2021, 6 StR 240/20)

Hintergrund: Cannabis

Der Begriff Cannabis kommt aus dem Lateinischen und bezeichnet die Hanfpflanze. Marihuana (Gras) ist ein Produkt aus den getrockneten Blüten dieser Pflanze. Haschisch besteht aus dem Harz der Hanfpflanze, das eine hohe Konzentration von THC, CBD und anderen Cannabinoiden enthält, die für die Erzeugung der entspannenden Wirkung bzw. des von den Konsumenten erstrebten Rauschzustandes zuständig sind.

Cannabisverbote weltweit auf dem Rückzug

In weiten Teilen der Welt sind der Verzehr und der Handel mit Cannabisprodukten, Haschisch und Marihuana illegal. Immer mehr Staaten legalisieren jedoch den bloßen Besitz dieser Rauschmittel. Die USA schreiten voran. In vielen Bundesstaaten ist der Besitz dieser Rauschmittel mittlerweile gestattet, schon um die Kriminalisierung und mafiöse Geschäfte mit Drogen zu verhindern. Die WHO steht einer Legalisierung inzwischen nicht mehr negativ gegenüber. Im November hat der EuGH entschieden, dass der nicht psychoaktive Inhaltsstoff Cannabidiol nicht als Betäubungsmittel gilt, wenn sein THC-Gehalt unter 0,2 % liegt (EuGH, Urteil v. 19.11.2020, C-663/18).

Cannabis als Medizin

In der Medizin wird Cannabis wegen seiner entspannenden Wirkung inzwischen zur Linderung der Symptome verschiedener Erkrankungen wie multipler Sklerose, Depressionen, Spastik, Lähmungserscheinungen, Epilepsie, als Begleitung von Chemotherapien oder bei Erkrankungen des Nervensystems eingesetzt.

Bernauer Jugendrichter kämpft für Legalisierung

Der Bernauer Jugendrichter Andreas Müller hält das Verbot von Cannabis in Deutschland für unverhältnismäßig, unter anderem auch deshalb, weil die unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Alkohol grob willkürlich sei. Außerdem führe das Verbot zu einer nicht zu rechtfertigenden Kriminalisierung zahlreicher Konsumenten. Richter Müller führt seit vielen Jahren einen zähen Kampf für die Freigabe und hat im April 2020 eine 140-seitige Richtervorlage beim BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG mit dem Ziel der Legalisierung eingereicht. Im Jahr 2002 war der Richter mit einer ähnlichen Vorlage beim BVerfG allerdings gescheitert (BVerfG, Beschluss v. 29.6.2004, 2 BvL 8/02).

Drogenmafia als Nutznießer der bisherigen Politik

Schätzungen nach leben in Deutschland ca. 4 Millionen Cannabiskonsumenten. Diese sind darauf angewiesen, ihren Stoff aus illegalen Kanälen zu beschaffen. Das freut die Drogenmafia und schadet den Konsumenten. Nach Expertenmeinung sind mehr als 90 % des in Deutschland verbrauchten Cannabis mit anderen gefährlichen Substanzen verschnitten. Dies führt zu hohen Gesundheitsrisiken der Konsumenten und belastet letztlich das Krankenversicherungssystem. Durch eine rege Schwarzmarkttätigkeit entstehen riesige Kriminalitätsprobleme. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden - besonders in Großstädten - sind mit den Aufgaben aus der Bekämpfung der Drogenkriminalität total überfordert. Die Übernahme anderer wichtiger Aufgaben wird hierdurch teilweise blockiert. 

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