Grundbuchamt hat Prüfungskompetenz bei Vollmacht

Ein mit unbegrenzter Außenvollmacht ausgestatteter Vertreter beantragt die Umschreibung eines Grundstücks. Nach innen ist die Vertretung an Geschäftsunfähigkeit und Betreuungsbedürftigkeit geknüpft. Darf das Grundbuchamt mit Blick auf einen möglichen Vollmachtsmissbrauch die Eintragung ins Grundbuch ablehnen?

Frau setzt Vollmachten für Ehemann und Tochter auf

Eine Frau setzte 2012 eine Patientenverfügung und diverse Vollmachten inklusive Versorgungsvollmacht auf und ließ sie vom Notar beglaubigen. Darunter fand sich auch eine Generalvollmacht für ihren Ehemann und – nachrangig - für ihre Tochter.

Vollmachten im Außenverhältnis ausdrücklich unbeschränkt

Die Vertretung war im Innenverhältnis nur für den Vorsorgefall, namentlich bei „Geschäftsunfähigkeit“ und „Betreuungsbedürftigkeit“ vorgesehen. Die Beschränkungen sollten aber „keinen Einfluss auf die Gültigkeit und Wirkung der Vollmacht nach außen gegenüber Dritten haben“. Die Vertreter wurden zudem von § 181 BGB (Geschäfte mit sich selbst) befreit.

Eigentumsübertragung an mütterlichem Grundstück durch Tochter im Alleingang

Der Ehemann verstarb 2013. Die Tochter wollte das Hausgrundstück der Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf sich selbst übertragen und ihrer Mutter gleichzeitig ein Wohn- und Nießbrauchrecht einräumen. Ihr Umschreibungsantrag ging am 8.11.2019 beim Grundbuchamt ein.

Tochter sah ihr Erbe davonschwimmen

Hintergrund des Übertragungswunsches war die Befürchtung, dass die Mutter zum einen dement ist, zum anderen unter dem Einfluss einer Sekte bzw. sektenähnlichen Vereinigung stand, die es auf deren Vermögen abgesehen hatte.

Mutter reagierte mit Vollmachtswiderruf

Das sah die Mutter anders. Sie legte ein ärztliches Attest vom 7.11.2019 vor, das ihre volle Geschäftsfähigkeit bescheinigte und widerrief die Vollmacht gegenüber ihrer Tochter mit einem Schreiben, das ebenfalls auf den 7.11.2019 datiert war und am 18.11.2019 beim Grundbuchamt einging.  Dieses lehnte daraufhin die Eintragung ab, weil es den Missbrauch der Vollmacht im Innenverhältnis durch die Tochter annahm.

Die Beschwerde der Tochter brachte den Fall vor das OLG Köln, das feststellte:

  • Vollmachtserteilung und -Umfang prüft das Grundbuchamt selbständig (§§ 20, 29 GBO).
  • Gleiches gilt für den Eintritt der Bedingung, von der die Vertretung abhängig gemacht wird.
  • Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter naheliegend ergibt.
  • Auf das tatsächlich von den Beteiligten Gewollte kommt es nicht an.

Wenn der Missbrauch der Vollmacht sicher ist, kann Eintragung abgelehnt werden

Bei einer nach außen unbeschränkten Vollmacht soll das Grundbuchamt die Eintragung ausnahmsweise ablehnen können, wenn es sichere Kenntnis vom Vollmachtsmissbrauch hat (Legalitätsprinzip). Das OLG Köln war der Ansicht, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt – spätestens mit Eingang des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt am 8.11.2019 – ein Missbrauch der Vertretungsmacht nicht sicher bekannt war, denn Widerruf und Attest lagen erst zehn Tage später vor.

Mutter kann Vollmachtsmissbrauch gerichtlich überprüfen lassen

Die Kölner Richter gaben zwar vorerst grünes Licht für die Eigentumsumschreibung, wiesen aber auch darauf hin, dass in diesem Grundbuchverfahren materiell-rechtlich keine Entscheidung zum Missbrauch der Vertretungsmacht getroffen wurde und der Mutter hierfür der Rechtsweg noch offen steht, ggf. durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.

(OLG Köln, Beschluss v. 18.5.2020, 2 Wx 61/20).

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