Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfung einer im Außenverhältnis unbeschränkten Vollmacht durch das Grundbuchamt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer im Außenverhältnis unbeschränkten Vorsorgevollmacht, die im Innenverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten auf den Eintritt des Vorsorgefalls (Geschäftsunfähigkeit und Betreuungsbedürftigkeit) beschränkt ist, kann und darf das Grundbuch eine Grundbucheintragung nur dann ausnahmsweise ablehnen, wenn es sichere Kenntnis von einem Missbrauch der Vollmacht hat. Sichere Kenntnis von einem Missbrauch besteht bei einer Beschränkung im Innenverhältnis auf die Geschäftsunfähigkeit und Betreuungsbedürftigkeit nur dann, wenn für das Grundbuchamt aufgrund von vorgelegten Urkunden oder freier Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung die Geschäftsfähigkeit bzw. die fehlende Betreuungsbedürftigkeit feststeht.

2. Die erst nach Eingang eines Eintragungsantrages beim Grundbuch von diesem erlangte Kenntnis eines von dem Vollmachtgeber erklärten Widerrufs einer Vorsorgevollmacht, hindert nicht mehr die Grundbucheintragung.

 

Normenkette

BeurkG § 51; BGB § 167; GBO §§ 19, 29

 

Verfahrensgang

AG Aachen (Aktenzeichen RG-1105-15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 19. Februar 2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamts - Aachen vom 11. Februar 2020, RG-1105-15, aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag vom 7. November 2019 erneut unter Beachtung der Rechtsausführungen des Senats zu bescheiden.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1), die Mutter der Beteiligten zu 2), ist Eigentümerin des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes.

Mit Schriftsatz vom 7. November 2019 - beim Grundbuchamt am 8. November 2019 eingegangen - hat der Notar eine beglaubigte Abschrift eines notariell beurkundeten Übertragungsvertrages vom 7. November 2019 (UR-Nr. ...... des Notars ............) eingereicht und die Umschreibung des Eigentums auf die Beteiligte zu 2) sowie die Eintragung eines Wohnungs- sowie Nießbrauchrechts für die Beteiligte zu 1) beantragt. In der eingereichten Urkunde überträgt die Beteiligte zu 1), vertreten durch die Beteiligte zu 2), den im Rubrum bezeichneten Grundbesitz auf sich im Wege der vorweg genommenen Erbfolge. Zudem behält sich die Beteiligte zu 1), vertreten durch die Beteiligte zu 2), ein Wohnungsrecht sowie ein Nießbrauchrecht an dem streitbefangenen Grundstück vor. Der notariellen Urkunde ist eine Kopie der Ausfertigung einer von der Beteiligten zu 1) ihrem Ehemann sowie der Beteiligten zu 2) erteilten notariellen Vollmacht vom 22. März 2012 (UR.-Nr. ..... des Notars .......) beigefügt, in der es u.a. heißt:

"I. Ich erteile hiermit meinem Ehemann ....

GENERALVOLLMACHT

Der Bevollmächtigte ist dementsprechend befugt, mich in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies gesetzlich zulässig ist, gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.

Diese Vollmacht soll als allgemeine Vorsorgevollmacht auch dann fortgelten, wenn ich - gleich aus welchen Gründen - nicht mehr imstande bin, eigene Entscheidungen zu treffen.

......

Der Bevollmächtigte ist befugt, Rechtsgeschäfte mit sich im eigenen Namen und als Vertreter Dritter vorzunehmen; er ist also von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

Soweit sie sich auf vermögensrechtliche Angelegenheiten bezieht, kann diese Vollmacht für einzelne von dem Bevollmächtigten zu bestimmende Rechtsgeschäfte auf Dritte übertragen werden. In persönlichen Angelegenheiten ist die Vollmacht dagegen nicht übertragbar.

Diese Vollmacht soll durch meinen Tod nicht erlöschen.

Die gleiche Vollmacht erteile ich meiner Tochter .... [= die Beteiligte zu 2)]

Meine Tochter .... soll von dieser Vollmacht jedoch nur Gebrauch machen, wenn mein Ehemann .... verstorben oder aus sonstigen Gründen dauerhaft oder vorrübergehend nicht in der Lage ist, die Vollmacht auszuüben. Die Verhinderung meines Ehemannes ... ist Dritten gegenüber nicht nachzuweisen. Im übrigen gelten die nachfolgend unter III. 1) im Innenverhältnis getroffenen Anweisungen auch für die Ersatzbevollmächtigte.

....

II. Patientenverfügung

....

III. Schlussbestimmungen

1) Anweisungen im Innenverhältnis

Die Bevollmächtigten werden angewiesen, von der Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten erst dann Gebrauch zu machen, wenn der Vorsorgefall (Geschäftsunfähigkeit, Betreuungsbedürftigkeit) eingetreten ist. Gleiches gilt grundsätzlich für die Verwendung der Vollmacht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten; unabhängig vom Eintritt des Vorsorgefalls darf jeder Bevollmächtigte aber auch schon dann aufgrund der Vollmacht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten für mich handeln, wenn er von mir entsprechend beauftragt worden ist. Die vorstehenden Anweisungen berühren nur das Auftragsverhältnis zwischen mir und dem Bevollmächtigten; sie haben daher keinen Einfluss auf die Gültigkeit und Wirkung der Vollmacht nach außen gegenüber Dritten.

....."

Mit Schreiben vom 15. November 2019, beim Grundbuchamt am 18. November 2019 eingegangen, haben die Verfahr...

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