Das Wichtigste in Kürze:

1. Die unmittelbare Betroffenheit in einer seiner Konventionsrechte durch die angegriffene hoheitliche Maßnahme hat der Beschwerdeführer schlüssig und substantiiert vorzutragen.
2. Die Opfereigenschaft setzt das Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzinteresses oder eines Schadens nicht voraus.
3. Die Opfereigenschaft kann in Wegfall geraten, wenn die Verletzung der Konvention beendet ist und deren Folgen vollständig kompensiert sind.
 

Rdn 223

 

Literaturhinweise:

Sommer, Kompatibilitätsprobleme zwischen dem BGH und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – Die Entscheidung des BGH vom 18.11.1999 zur polizeilichen Tatprovokation, StraFo 2000, 150

s.a. die Hinw. bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2.

 

Rdn 224

1. Die in Art. 34 S. 1 EMRK geregelte Opfereigenschaft ist grds. gegeben, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, durch die angegriffene hoheitliche Handlung oder Unterlassung unmittelbar in einem seiner Konventionsrechte berührt zu sein (EGMR [GK], Urt. v. 15.10.2009 – 17056/06 [Micallef/Malta Nr. 44]). Die Konvention erlaubt demnach weder Popularklagen noch abstrakte Normenkontrollen (→ Menschenrechtsbeschwerde, Beschwerdebefugnis, Teil C Rdn 39).

 

Rdn 225

Der EGMR prüft das Bestehen der Opfereigenschaft von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens (EGMR [GK], Urt. v. 29.3.2006 – 36819/97 [Scordino/Italien I Nr. 179]; EGMR, Urt. v. 8.12.2009 – 22465/03 [Şandru u.a./Rumänien Nr. 50]). Ursächlich hierfür ist, dass der belangte Staat innerhalb des Verfahrens über die Menschenrechtsbeschwerde jederzeit mit der Folge Abhilfe schaffen kann, dass die Opfereigenschaft (wieder) entfällt. An dieser Stelle scheint der Subsidiaritätsgrundsatz (→ Menschenrechtsbeschwerde, Subsidiaritätsgrundsatz, Teil C Rdn 306) durch.

 

☆ Bei der auch hier ohne übertriebenen Formalismus flexibel vorgenommenen (EGMR [GK], Urt. v. 15.10.2009 – 17056/06 [ Micallef /Malta Nr. 45) Überprüfung durch den Gerichtshof bleiben innerstaatliche Regelungen über die Klage- oder Beschwerdebefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis außer Betracht . Ausschlaggebend sind ausschließlich konventionsrechtliche Gesichtspunkte. Insbesondere maßgeblich ist das Ziel der Konvention, wirksame und praktische Garantien zu geben (EGMR, Urt. v. 13.1.2005 – 34491/97 [ Demir /Türkei Nr. 45]).Micallef/Malta Nr. 45) Überprüfung durch den Gerichtshof bleiben innerstaatliche Regelungen über die Klage- oder Beschwerdebefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis außer Betracht. Ausschlaggebend sind ausschließlich konventionsrechtliche Gesichtspunkte. Insbesondere maßgeblich ist das Ziel der Konvention, wirksame und praktische Garantien zu geben (EGMR, Urt. v. 13.1.2005 – 34491/97 [Demir/Türkei Nr. 45]).

 

Rdn 226

2.a) Ebenso wenig wie das innerstaatliche Recht für die Bestimmung der Opfereigenschaft entscheidend ist (vgl. auch: EGMR, Urt. v. 27.4.2004 – 62543/00 [Lizarraga u.a./Spanien Nr. 35]), ist das Bestehen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses oder das Vorliegen eines Schadens nicht Voraussetzung für die Opfereigenschaft. Da die EMRK auch verletzt sein kann, ohne dass ein erheblicher Nachteil eingetreten ist, ist dies für die → Menschenrechtsbeschwerde, Entschädigung, Teil C Rdn 161, nach Art. 41 EMRK, aber nicht für die Opfereigenschaft von Bedeutung (EGMR, Urt. v. 5.10.2005 – 72881/01 [Heilsarmee/Russland Nr. 65]). Auf dem Gebiet des Strafrechts, auf welchem regelmäßig eher immaterielle Einbußen und die Einhaltung von Verfahrensgarantien eine Rolle spielen, dürfte dies indessen die Ausnahme darstellen.

 

☆ Bei Vermögenseinbußen infolge strafprozessualer Maßnahmen ist auf den mit dem 14. Zusatzprotokoll eingeführten neuen Art. 35 Abs. 3 Buchst. b EMRK zu achten, der bei Fehlen eines erheblichen Nachteils die Möglichkeit eröffnet, die Menschenrechtsbeschwerde für unzulässig zu erklären. Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung ist die individuelle wirtschaftliche Bedeutung des Beschwerdegegenstands für den Beschwerdeführer im konkreten Verfahren, soweit diese aus Sicht des Gerichtshofs objektiv gerechtfertigt ist (EGMR, Urt. v. 1.7.2010 – 25551/05 [ Korolev /Russland], NJW 2010, 3081). Allerdings setzt der EGMR seine Prüfung trotz eines nur geringen Nachteils fort, wenn die Menschenrechtsbeschwerde Fragen von allgemeiner Bedeutung in Bezug auf die Einhaltung der Konvention aufwirft, oder keine gebührende Prüfung durch ein innerstaatliches Gericht erfolgt ist (→  Menschenrechtsbeschwerde, Zulässigkeit, Zulässigkeitsvoraussetzungen , Teil C Rdn  450 ).Vermögenseinbußen infolge strafprozessualer Maßnahmen ist auf den mit dem 14. Zusatzprotokoll eingeführten neuen Art. 35 Abs. 3 Buchst. b EMRK zu achten, der bei Fehlen eines erheblichen Nachteils die Möglichkeit eröffnet, die Menschenrechtsbeschwerde für unzulässig zu erklären. Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung ist die individuelle wirtschaftliche Bedeutung des Beschwerdegegenstands für den Beschwerdeführer im konkreten Verfahren, soweit diese ...

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