Das Wichtigste in Kürze:

1. Aus der Konvention folgt für die einzelnen Vertragsstaaten die Pflicht, gegen sie festgestellte Menschenrechtsverletzung zu beenden und deren Folgen zu beseitigen.
2. Im Fall der unzureichenden Wiedergutmachung nach nationalem Recht und Bestehen eines spür- und nachweisbaren Nachteils in der Person des Beschwerdeführers nach festgestellter Konventionsverletzung eröffnet Art. 41 EMRK einen Sekundäranspruch auf Zahlung einer gerechten Entschädigung.
3. Diese Kompensation umfasst sowohl materielle als auch immaterielle Schäden.
4. Einen Strafschadenersatz verhängt der Gerichtshof nicht.
5. Der Schaden muss stets in einem Kausalzusammenhang mit der Verletzung der EMRK stehen.
6. Die gerechte Entschädigung muss außerdem notwendig erscheinen.
7. Die gerechte Entschädigung wird nur auf rechtzeitigen Antrag gewährt.
 

Rdn 162

 

Literaturhinweise:

Breuer, Zur Anordnung konkreter Abhilfemaßnahmen, EuGRZ 2004, 257

Myer/Mol/Kempees/v. Steijn/Bockwinkel/Uerpmann, EGMR-Verfahren – Die häufigsten Irrtümer bei Einreichen einer Beschwerde, MDR 2007, 505

s.a. die Hinw. bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2, m.w.N.

 

Rdn 163

1. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, gegen sie festgestellte Konventionsverstöße, soweit diese andauern, zu beenden und die hieraus resultierenden Folgen zu beseitigen (Frowein/Peukert/Peukert, Art. 41 EMRK Rn 1; → Menschenrechtsbeschwerde, Urteil, Rechtswirkungen, Teil C Rdn 337 ff.). Wenn der Verstoß gegen die Konvention nicht mehr andauert, beschränkt sich der Rechtsschutz auf die nachträgliche Kompensation. Es werden ausschließlich die aus der Menschenrechtsverletzung entstandenen Konsequenzen ausgeglichen. Dies verdeutlicht, dass Art. 41 EMRK eine Abkehr zu einer ursprünglich in den Vorarbeiten zur Konvention enthaltenen Kompetenz des Gerichtshofs zur Annullierung konventionswidrig ergangener Rechtsakte darstellt (Breuer EuGRZ 2004, 260). Mit dem vieldeutigen Begriff "satisfaction" wurde stattdessen eine dem allgemeinen Völkerrecht entsprechende Kompetenz geschaffen.

 

Rdn 164

2.a) Eine gerechte Entschädigung i.S.d. Art. 41 EMRK wird daher allgemein nur insoweit zugesprochen, als die Folgen der Verletzung nicht anderweitig beseitigt werden können (EGMR [GK], Urt. v. 13.6.2000 – 39221/98 u. 41963/98 [Scozzari u. Giunta/Italien Nr. 250], ÖJZ 2002, 74). Der gerechten Entschädigung immanent ist hierbei die Feststellung einer Konventionsverletzung, deren unvollkommene Wiedergutmachung nach dem nationalen Recht und ein spür- und nachweisbarer Nachteil, welchen der Beschwerdeführer aufgrund der Rechtsverletzung erlitten hat. Allein hierfür gewährt Art. 41 EMRK einen Sekundäranspruch bei Verletzung von Konventionsrechten.

 

Rdn 165

Zu beachten ist, dass ein nach nationalem Recht bestehender Entschädigungsanspruch den Gerichtshof nicht daran hindert, eine gerechte Entschädigung zuzusprechen. Eine parallele Beschreitung des innerstaatlichen Rechtswegs ist dem Beschwerdeführer regelmäßig in Ansehung der Verfahrensdauer vor dem EGMR nicht zumutbar (→ Menschenrechtsbeschwerde, Rechtswegerschöpfung, Teil C Rdn 280) und mit dem Zweck des Menschenrechtsschutzes nicht vereinbar (EGMR, Urt. v. 20.5.1999 – 21594/93 [Ogur/Türkei Nr. 98], NJW 2001, 1991).

 

☆ Wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs gleichwohl ein Entschädigungsverfahren vor den nationalen Gerichten anhängig ist, vertagt dieser gem. Art. 75 VerfO-EGMR die Entscheidung nach Art. 41 EMRK bis zum Abschluss des innerstaatlichen Entschädigungsverfahrens.Entschädigungsverfahren vor den nationalen Gerichten anhängig ist, vertagt dieser gem. Art. 75 VerfO-EGMR die Entscheidung nach Art. 41 EMRK bis zum Abschluss des innerstaatlichen Entschädigungsverfahrens.

 

Rdn 166

b) Grds. ist nur der Beschwerdeführer entschädigungsberechtigt. Allein bei diesem handelt es sich um die verletzte Person i.S.d. Art. 41 EMRK, nur er ist Opfer i.S.d. Art. 34 EMRK (Grote/Marauhn/Dörr, Kap. 33 Rn 34). Verwandte und sonstige Rechtsnachfolger müssen ein berechtigtes Interesse und eine mittelbare Betroffenheit nachweisen, um eine gerechte Entschädigung zu erhalten und das Verfahren nach dem Ableben des Beschwerdeführers fortzuführen (EGMR, Urt. v. 12.2.1985 – 9024/80 [Colozza/Italien Nr. 38], EGMR-E 3, 1).

 

Rdn 167

3.a) Der entstandene Schaden kann sowohl materieller als auch immaterieller Art sein. Wenn aber die Übergänge zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschaden fließend sind, kommt auch die Feststellung eines allgemeinen Schadens in Betracht.

 

Rdn 168

b) Von dem Eintritt eines materiellen Schadens kann ausgegangen werden, wenn infolge der Konventionsverletzung eine Einbuße an wirtschaftlichen Vermögenswerten eingetreten ist. Dies ist der Fall bei einer unmittelbaren Verminderung der wirtschaftlichen Substanz, z.B. durch die Enteignung einer Sache im Wege des Verfalls oder mittels der Auferlegung einer Geldzahlung; aber auch durch eine mittelbare Verursachung von Vermögensabflüssen, wie z.B. Aufwendungen für die medizinische Behandlung vo...

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