Das Wichtigste in Kürze:

1. § 359 Nr. 5 ist der in der Praxis am häufigsten geltend gemachte Wiederaufnahmegrund.
2. Neue Tatsachen sind alle dem Beweis zugänglichen tatsächlichen gegenwärtigen oder vergangenen Vorgänge, Verhältnisse oder Zustände. Geänderte Bewertungen oder Rechtsauffassungen sind keine neuen Tatsachen, ebenso wenig Rechtsfehler oder sachlich-rechtliche Fehler, Verfahrensfehler und sog. Rechtstatsachen.
3. Neue Beweismittel können alle förmlichen Beweismittel der StPO sein, also nicht der Verurteilte.
4. Die Tatsachen oder Beweismittel müssen neu und geeignet sein.
5. Der Wiederaufnahmeantrag muss in sich schlüssig sein und die neuen Tatsachen oder Beweismittel konkret benennen; die neuen Tatsachen müssen als sicher behauptet, die neuen Beweise konkret benannt werden.
 

Rdn 1145

 

Literaturhinweise:

Brauns, Die gescheiterte Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Carl von Ossietzky – Grund für eine Gesetzesänderung?, JZ 1995, 492

Eisenberg, Aspekte des Verhältnisses von materieller Wahrheit und Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 359 ff. StPO, JR 2007, 360

ders., Histrionische Zeugen und Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 359 Nr. 5 StPO in: Festschrift für Knut Amelung zum 70. Geburtstag, 2009, S. 585

Förschner, Der Deal und seine Folgen … Geständniswiderruf und Wiederaufnahme, StV 2008, 443

Fornauf, Die Neuheit bereits erörterter Tatsachen im Wideraufnahmeverfahren, StraFo 2013, 235

Hellebrand, Geständniswiderruf und Wiederaufnahmeverfahren – Urteilsabsprachen unter dem Aspekt des Wiederaufnahmerechts nach der Rechtsprechung des BVerfG, NStZ 2008, 374

Stern, Zur Verteidigung des Verurteilten in der Wiederaufnahme, NStZ 1993, 409

Wasserburg/Eschelbach, Die Wiederaufnahme des Verfahrens propter nova als Rechtsschutzmittel, GA 2003, 335

s.a. die Hinw. bei → Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1054.

 

Rdn 1146

1. § 359 Nr. 5 ist der in der Praxis am häufigsten vorgetragene Wiederaufnahmegrund (vgl. MAH-Strate, § 27 Rn 3 [99 % aller Wiederaufnahmeverfahren]; vgl. auch Eisenberg JR 2007, 360). Er regelt den Fall, dass der Verurteilte neue Tatsachen oder Beweismittel vorträgt, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen geeignet sind, das Antragsziel zu begründen (Marxen/Tiemann, Rn 168). Es müssen neue Tatsachen oder Beweise vorgetragen werden, die sodann im Probationsverfahren (→ Wiederaufnahme, Begründetheitsprüfung [Probationsverfahren], Teil B Rdn 1216 ff.) überprüft werden. Sagt beispielsweise ein Zeuge – wie im Antrag angekündigt – im Rahmen der Beweisaufnahme aus, ist für die Frage der Begründetheit davon auszugehen, dass er auch in der HV entsprechend aussagen wird (OLG Koblenz NStZ-RR 2007, 313).

 

Rdn 1147

2.a) Neue Tatsachen sind alle dem Beweis zugänglichen tatsächlichen, gegenwärtigen oder vergangenen Vorgänge, Verhältnisse oder Zustände (BGHSt 39, 75, 80; vgl. a. BVerfG StV 2003, 225 [als existierend feststellbare Vorgänge oder Zustände, die der Gegenwart oder Vergangenheit zugehören]; LR-Gössel § 359 Rn 58; vgl. a. Fornauf StraFo 2013, 235 ff.), die nicht bei der Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts berücksichtigt wurden (BVerfG NJW 2007, 207; Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 30; → Wiederaufnahme, Neuheit von Tatsachen/Beweismitteln (Nova), Teil B Rdn 1311).

 

☆ Geänderte Bewertungen und Rechtsauffassungen sind keine neuen Tatsachen (BGHSt 39, 75)! und Rechtsauffassungen sind keine neuen Tatsachen (BGHSt 39, 75)!

 

Rdn 1148

b) Die Tatsachen müssen nicht zwingend den Sachverhalt selbst betreffen, sie können auch den Verurteilten betreffen, also z.B. das Lebensalter beim angeblich Strafunmündigen (Peters, Fehlerquellen, S. 61) oder des zu Unrecht als Erwachsener Behandelten (OLG Hamburg NJW 1952, 1150; LG Landau NStZ-RR 2003, 28). Erfasst werden auch Tatsachen, die den Strafantrag, die Verjährung, Amnestievoraussetzungen oder Rechtfertigungs-, Strafausschließungs- und Schuldausschließungsgründe, insbesondere die Schuldunfähigkeit des Verurteilten (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 22 m.w.N.).

 

Rdn 1149

Ebenso können die Tatsachen Beweisfragen betreffen, etwa Indizien, die im Urteil verwertet wurden, oder die Zulässigkeit der verwendeten Beweismittel, also z.B. die Richtigkeit eines Gutachtens oder die Glaubwürdigkeit eines Zeugen (OLG Celle NJW 1967, 216; OLG Düsseldorf VRS 82, 198; OLG Frankfurt/Main NJW 1966, 2423; zu histrionischen Zeugen vgl. Eisenberg, S. 585) oder etwa die Fehlwahrnehmung bei einer Inaugenscheinnahme durch das erkennende Gericht (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2014, 22).

 

Rdn 1150

Insbesondere der Wegfall eines Geständnisses des Verurteilten ist eine neue Tatsache (BVerfG NStE Nr. 13 zu § 359 StPO; BGH NJW 1977, 59; OLG München NJW 1981, 593; OLG Schleswig NJW 1974, 714; LG Landau StV 2009, 237; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 6.9.2006 – 2 Ns 706 Js 71234/06; AG Starnberg StV 2008, 516; Förschner StV 2008, 443). Hier muss der Antragstellende jedoch der erweiterten Darlegungslast (→ Wiederaufnahme, Darlegungslast, erweiterte, Teil B Rdn 1250 ff.; → Wiedera...

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