Das Wichtigste in Kürze:

1. In Fällen eines widersprüchlichen Prozessverhaltens trifft den Antragsteller eine erweiterte Darlegungslast.
2. Das gilt für den Widerruf des Geständnisses, und zwar auch dann, wenn das Geständnis im Rahmen einer Verständigung abgegeben wurde. Weitere Fallgruppen sind das im Ursprungsverfahren bewusst zurückgehaltene oder nicht eingeforderte Beweismittel, der Verzicht auf die Einlegung eines Einspruchs im Strafbefehls- oder Bußgeldverfahren, die Änderung der Aussage eines Belastungszeugen oder Mitangeklagten und die Beibringung eines neuen Sachverständigen bzw. eines Gegengutachtens.
3. Fehlen die begründenden Ausführungen, die im Rahmen der erweiterten Darlegungslast vorzutragen sind, ist der Antrag unzulässig, soweit sich nicht aus dem Antrag von selbst eine "reale Möglichkeit des betreffenden Beweisergebnisses" ergibt.
 

Rdn 1248

 

Literaturhinweise:

Eschelbach, Absprachenpraxis versus Wiederaufnahme des Verfahrens, HRRS 2008, 191

Förschner, Der Deal und seine Folgen … Geständniswiderruf und Wiederaufnahme, StV 2008, 443

Hellebrand, Geständniswiderruf und Wiederaufnahmeverfahren, NStZ 2008, 374

ders., Geständniswiderruf und Wiederaufnahmeverfahren, NStZ 2004, 413

→ Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1053, m.w.N.

 

Rdn 1249

1. An den Inhalt eines Wiederaufnahmevorbringens sind bereits grds. strenge Anforderungen zu stellen (→ Wiederaufnahme, Antrag, Teil B Rdn 1071 ff.). In Fällen eines widersprüchlichen Prozessverhaltens trifft den Antragsteller darüber hinaus eine erweiterte Darlegungslast (krit. zum Begriff Marxen/Tiemann, Rn 244, welche von einer Situation eingeschränkten Beweiswerts bei "verfahrensinterner Widersprüchlichkeit" sprechen). Das gilt z.B. dann, wenn der Antragsteller seinen Wiederaufnahmeantrag auf Tatsachen oder Beweismittel stützt, die ihm zum Zeitpunkt des Ursprungsverfahrens bereits bekannt waren, er sie aber nicht vorgetragen hatte, oder wenn er ein abgegebenes Geständnis widerruft. Die bereits entschiedenen zahlreiche Einzelfälle führen im Ergebnis stets dazu, dass der Antragsteller den beschränkten Beweiswert eines Beweismittels dadurch ausgleicht, dass er den Widerspruch zwischen dem Ursprungsverfahren und dem nun zu erwartenden Beweisergebnis erklärt (SK-Frister, § 359 Rn 53).

 

☆ In der Praxis scheitern Wiederaufnahmeanträge häufig daran, dass die Anforderungen an die erweiterte Darlegungslast nicht erfüllt werden ( Marxen/Tiemann , Rn 259). Hier ist daher besondere Sorgfalt geboten.Marxen/Tiemann, Rn 259). Hier ist daher besondere Sorgfalt geboten.

 

Rdn 1250

2.a) Das Geständnis in der HV schließt die Wiederaufnahme nicht aus (BVerfG NStE § 359 StPO Nr. 13). Der Widerruf nimmt dem Geständnis jedoch auch nicht seinen Beweiswert. Das Urteil des Ursprungsverfahrens hat nicht nur vorbehaltlich des Widerrufs des Geständnisses Bestand. Der Geständniswiderruf ist in der Praxis häufig und daher bereits mehrfach Gegenstand der Rspr. gewesen (BGH JR 1977, 217 m. abl. Anm. Peters; KG JR 1975, 166 m. abl. Anm. Peters; OLG Bremen NJW 1952, 678; OLG Hamm NStZ 1981, 155 m. krit. Anm. Peters JR 1981, 439; OLG Frankfurt/Main StV 1984, 17 m. abl. Anm. Sieg; OLG Köln NJW 1963, 967, 968; NStZ 1991, 96; StV 1989, 98, 99 f; AG Starnberg StV 2008, 516).

 

Rdn 1251

Wegen des hohen Beweiswerts eines Geständnisses muss der Antragsteller plausibel darlegen, weshalb er im Ursprungsverfahren ein falsches Geständnis abgelegt hat und weshalb er (erst jetzt) seine damaligen Angaben korrigiert (KG, Beschl. v. 22.1.1999 – 5 Ws 680/98; Beschl. v. 30.9.1999 – 5 Ws 463/99).

 

☆ Im Fall eines Geständnisses im Rahmen einer Verständigung und des späteren Widerrufs gilt dasselbe (vgl. BayVerfGH NStZ 2004, 447; OLG Düsseldorf NStZ 2004, 454 m. krit. Anm. Hellebrand NStZ 2004, 413; OLG Nürnberg OLGST StPO § 359 Nr. 6; OLG Stuttgart NJW 1999, 375 376; LG Landau StV 2009, 237), wenn der Angeklagte vorträgt, zum Geständnis genötigt worden zu sein oder in anderer Weise plausibel sein (falsches) Geständnis erklärt (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt , § 359 Rn 47; LR- Gössel , § 359 Rn 182; Marxen/Tiemann , Rn 244).Verständigung und des späteren Widerrufs gilt dasselbe (vgl. BayVerfGH NStZ 2004, 447; OLG Düsseldorf NStZ 2004, 454 m. krit. Anm. Hellebrand NStZ 2004, 413; OLG Nürnberg OLGST StPO § 359 Nr. 6; OLG Stuttgart NJW 1999, 375 376; LG Landau StV 2009, 237), wenn der Angeklagte vorträgt, zum Geständnis genötigt worden zu sein oder in anderer Weise plausibel sein (falsches) Geständnis erklärt (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 47; LR-Gössel, § 359 Rn 182; Marxen/Tiemann, Rn 244).

 

Rdn 1252

Da der Widerruf letztlich nur die Kehrseite einer bereits bekannten Hilfstatsache (Geständnis) ist (Marxen/Tiemann, Rn 244), muss insbesondere der Widerspruch zwischen der eigenen Sachverhaltsdarstellung im Ursprungsverfahren und im Wiederaufnahmeverfahren erklärt werden, also weshalb seinerzeit ein (falsches) Geständnis abgegeben wurde (SK-Frister [4. Aufl.], § 359 Rn 52). Der Erfolg einer Wiederaufnahme in diesen Fäl...

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