Das Wichtigste in Kürze:

1. Als Rechtsbehelf eigener Art dient das Wiederaufnahmeverfahren dazu, ein bereits rechtskräftiges Urteil, das sich als unrichtig herausstellt, überprüfen und korrigieren zu lassen.
2. In der täglichen Praxis der Strafverteidigung spielt die Wiederaufnahme eine eher untergeordnete Rolle. Amtliche Statistiken zur Erledigung in Wiederaufnahmeverfahren existieren nicht.
3. Erfolgreiche Wiederaufnahmeanträge sind regelmäßig spektakulär.
4. Das Wiederaufnahmeverfahren kann nur aufgrund eines Antrags eingeleitet werden. Es unterscheidet sich seinem Wesen nach von dem Erkenntnisverfahren.
5. Wiederaufnahmeverfahren können zugunsten oder zuungunsten des Verurteilten/Abgeurteilten durchgeführt werden.
6. Das Wiederaufnahmeverfahren gliedert sich mit Ausnahme der Fälle des § 371 Abs. 1 und 2 im Wesentlichen in drei Abschnitte: Aditionsverfahren, Probationsverfahren, neue HV gem. § 370 Abs. 2.
7. Die Wiederaufnahme ist nur gegen rechtskräftige Urteile, rechtskräftige Strafbefehle und (unter analoger Anwendung der §§ 359 ff.) gegen Beschlüsse statthaft.
8. Ziel eines Wiederaufnahmeverfahrens zugunsten des Angeklagten kann nur die Freisprechung, die Strafmilderung aufgrund eines milderen Strafgesetzes und die wesentlich andere Entscheidung über die Maßregel der Besserung und Sicherung sein. Eine bloße Schuldspruchänderung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht.
9. Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist eine Wiederaufnahme grds. möglich.
10. Bevor ein Mandat zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrags angenommen wird muss der Verteidiger prüfen, ob er über genügend Zeit und der Mandant über genügend Geld verfügt, um zu prüfen, ob überhaupt hinreichende Erfolgsaussichten für eine Wiederaufnahme bestehen oder ob er in der Lage ist, das Mandat als Pflichtverteidiger zu führen.
 

Rdn 1054

 

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