Das Wichtigste in Kürze:

1. Es reicht aus, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu sind.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Neuheit ist der Urteilserlass.
3. Eine Tatsache ist neu, wenn sie dem Spruchkörper zum Zeitpunkt des Urteilserlasses unbekannt war.
4. Beweismittel sind neu, wenn sie unbekannt waren oder trotz Kenntnis unbenutzt geblieben sind. Wesentliche Fälle in der Praxis sind neue Zeugen und neue Sachverständige.
5. Der Antragsteller muss die Neuheit darlegen.
6. Wurde eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel in einem Wiederaufnahmeantrag vorgebracht und dieser im Wege einer Sachentscheidung als unzulässig verworfen, ist dieses Vorbringen für weitere Wiederaufnahmeanträge zwar noch neu, aber verbraucht.
 

Rdn 1312

 

Literaturhinweise:

Eisenberg, Aspekte des Verhältnisses von materieller Wahrheit und Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §§ 359 ff. StPO, JR 2007, 363

Fornauf, Die Neuheit bereits erörterter Tatsachen im Wiederaufnahmeverfahren, StraFo 2013, 235

J. Meyer, Zum Begriff der Neuheit von Tatsachen oder Beweismitteln im Wiederaufnahmeverfahren, JZ 1968, 7

ders., Der "Fall Ossietzky" – auch eine Sache des Gesetzgebers, ZRP 1993, 284

s.a. die Hinw. bei → Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1054.

 

Rdn 1313

1. Es reicht aus, wenn die für § 359 Nr. 5 herangezogenen Tatsachen oder Beweismittel neu sind. Werden neue Tatsachen vorgetragen, können sie auch mit alten Beweismitteln belegt werden, solange sie geeignet sind (→ Wiederaufnahme, Geeignetheit von Tatsachen und/oder Beweismitteln, Teil B Rdn 1282 ff.). Ebenso können schon bekannte Tatsachen mit neuen Beweismitteln belegt bzw. widerlegt werden (OLG Celle GA 1967, 284; Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 29; Günther MDR 1974, 93).

 

Rdn 1314

2. Entscheidend für die Frage der Neuheit ist, ob die Tatsachen oder Beweismittel zum Zeitpunkt des Urteilserlasses bekannt waren (OLG Hamm GA 1957, 90 [genauer: Abschluss der Urteilsberatung]; Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 28, 30; Marxen/Tiemann, Rn 177 f.; a.A., nämlich Abschluss der mündlichen Verhandlung: LR-Gössel, § 359 Rn 88; J. Meyer JZ 1968, 7). Wurde ein Strafbefehl erlassen, kommt es darauf an, ob die Tatsache oder das Beweismittel aktenkundig war (LR-Gössel, § 359 Rn 88, 90a; Rieß/Hilger NStZ 1987, 206).

 

Rdn 1315

3.a)aa) Tatsachen sind neu, wenn sie dem Gericht als ganzem Spruchkörper, nicht nur einzelnen Richtern (vgl. OLG Hamm GA 1957, 90; Marxen/Tiemann, Rn 181) bei der Urteilsberatung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 30) unbekannt waren und deshalb nicht berücksichtigt wurden (OLG Düsseldorf NJW 1987, 2030 für den Fall, dass ein Zeuge zwar in der HV zu einer Tatsache ausgesagt hat, das Gericht diesen Teil der Aussage aber nicht zur Kenntnis genommen oder falsch verstanden hat; OLG Frankfurt/Main NJW 1978, 841; zu nachträglich vorgetragenen Umständen, die die Tat rechtfertigen, vgl. OLG Bamberg NJW 1962, 457).

 

☆ Auf die Kenntnis des Verurteilten (OLG Frankfurt/Main JR 1984, 40 m. zust. Anm. Peters ) kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, dass die Tatensachen Akteninhalt waren und deshalb theoretisch hätten behandelt werden können (LR- Gössel , § 359 Rn 93; vgl. auch BVerfG NJW 2007, 207, 208; OLG Frankfurt/Main NJW 1978, 841; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt , § 368 Rn 5). Das gilt sogar auch bei bewusstem Zurückhalten (OLG Düsseldorf NStZ 1993, 504 mit der Folge der erweiterten Darlegungslast; OLG Frankfurt/Main StV 1984, 17; LR- Gössel , § 359 Rn 96; Meyer-Goßner/Schmitt , § 359 Rn 30).Kenntnis des Verurteilten (OLG Frankfurt/Main JR 1984, 40 m. zust. Anm. Peters) kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, dass die Tatensachen Akteninhalt waren und deshalb theoretisch hätten behandelt werden können (LR-Gössel, § 359 Rn 93; vgl. auch BVerfG NJW 2007, 207, 208; OLG Frankfurt/Main NJW 1978, 841; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, § 368 Rn 5). Das gilt sogar auch bei bewusstem Zurückhalten (OLG Düsseldorf NStZ 1993, 504 mit der Folge der erweiterten Darlegungslast; OLG Frankfurt/Main StV 1984, 17; LR-Gössel, § 359 Rn 96; Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 30).

 

Rdn 1316

bb) Neu sind auch Tatsachen, die unter Verstoß gegen § 261 dem Urteil zugrunde gelegt wurden (str., dafür Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 30; SK-Frister, § 359 Rn 45; J. Meyer JZ 1968, 7; abl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2012, 290; OLG Hamm GA 1957, 90; Marxen/Tiemann, Rn 183; LR-Gössel, § 359 Rn 94; vertiefend Fornauf StraFo 2013, 235). Unerheblich ist, dass das Gegenteil der neuen Tatsache schon im Urteil festgestellt wurde (OLG Frankfurt/Main NJW 1978, 841; KK-Schmidt, § 359 Rn 24; a.A. LR-Gössel, § 359 Rn 99 ff.; OLG Karlsruhe NJW 1958, 1247). Anders ist dies nur dann, wenn die Tatsache lediglich das denknotwendige Gegenteil ist (BGH NStZ 2000, 218; OLG Karlsruhe NJW 1958, 1247 [der Angeklagte hatte nach den Feststellungen sein lebendes Kind begraben; Wiederaufnahme wurde mit der neuen Tatsache begründet, das Kind sei zum Zeitpunkt des Eingrabens bereits tot gewesen]) oder das Gericht sich ausdrücklich auch mit dem Gegenteil befasst hat (Marxen/T...

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