Rz. 53

 

Beispiel 1 (Anwalt vertritt zwei Auftraggeber):

Rechtsanwalt R klagt für seine beiden Auftraggeber A und B einen Anspruch i.H.v. 5.000 EUR ein, der diesen gemeinschaftlich zusteht. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Im ersten Schritt ist zunächst die Gesamtvergütung (obere Forderungsgrenze) zu ermitteln.

Der Gesamtvergütungsanspruch beträgt 955,20 EUR, wobei auf die Erhöhung nach VV 1008 ein Betrag i.H.v. 100,20 EUR entfällt (vgl. Rdn 41).

Anschließend ist im zweiten Schritt zu berechnen, welche Vergütung jeder der beiden Auftraggeber schulden würde, wenn dem Anwalt der Auftrag allein erteilt worden wäre:

 
1,3 Verfahrensgebühr VV 3100, 1008, Wert 5.000 EUR: 434,20 EUR
1,2 Terminsgebühr VV 3104, Wert 5.000 EUR: 400,80 EUR
Auslagenpauschale VV 7002: 20,00 EUR
Summe netto: 855,00 EUR

Die Erhöhung nach VV 1008 ist nicht zu berücksichtigen, weil sie bei alleiniger Auftragserteilung nicht angefallen wäre. Jeder Auftraggeber schuldet die Auslagenpauschale VV 7002, da sie in voller Höhe auch bei einem alleinigen Auftrag angefallen wäre.

Die beiden Auftraggeber haften für die Einzelvergütungen i.H.v. 855 EUR nicht gesamtschuldnerisch. Im Falle der Zahlung dieses Betrages durch einen der Auftraggeber müsste der andere Auftraggeber die Gebührenerhöhung nach VV 1008 über 100,20 EUR nicht mehr zahlen, weil die Zahlung auch für ihn befreiend wirkt (§ 422 Abs. 1 BGB).

Weil keiner der Auftraggeber die volle Vergütung i.H.v. 955,20 EUR schuldet, liegt kein echtes, sondern ein eigenartiges Gesamtschuldverhältnis vor. Die gesamtschuldnerische Haftung der Auftraggeber wird deshalb durch folgende Berechnung ermittelt:

1. Addition der Einzelhaftungen der Auftraggeber
2.

Abzug der Gesamtvergütung

Differenzbetrag = gesamtschuldnerische Haftung

In Beispiel 1 ergibt sich folgende gesamtschuldnerische Haftung:

 
1. Einzelhaftungen der beiden Auftraggeber, 855,00 EUR x 2: 1.710,00 EUR
2. abzgl. Gesamtvergütung: – 955,20 EUR
  gesamtschuldnerische Haftung: 754,80 EUR

Die alleinige Haftung der Auftraggeber ergibt sich durch den Abzug der gesamtschuldnerischen Haftung von der Einzelhaftung. Jeder der Auftraggeber schuldet deshalb:

 
Einzelhaftung jedes Auftraggebers: 855,00 EUR
abzgl. gesamtschuldnerische Haftung: – 754,80 EUR
alleinige Haftung: 100,20 EUR

Durch Erstellung von Rechnungen, die eine gesamtschuldnerische Haftung über 754,80 EUR und Einzelhaftungen über je 100,20 EUR ausweisen (Rdn 45 ff.), kann der Festsetzungsantrag gem. § 11 oder der Klageantrag richtig gestellt werden. Die Summe der Beträge (754,80 EUR + zweimal 100,20 EUR) ergibt die Gesamtvergütung über 955,20 EUR.

Zahlungen darf der Rechtsanwalt gem. § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf die von den Auftraggebern allein geschuldeten Beträge i.H.v. 100,20 EUR verrechnen. Erste die alleinige Haftung übersteigende Zahlungen muss der Rechtsanwalt auf die gesamtschuldnerische Haftung anrechnen.[70]

 

Rz. 54

 

Beispiel 2:

Auftraggeber A zahlt an R im Beispiel 1 (Rdn 53) 500 EUR.

Die Zahlung darf R i.H.v. 100,20 EUR auf die alleinige Haftung von A verrechnen. Die restliche Zahlung über 399,80 EUR ist auf die gesamtschuldnerische Haftung i.H.v. 754,80 EUR geleistet. R darf A daher noch für den Restbetrag i.H.v. 355 EUR in Anspruch nehmen.

[70] OLG Düsseldorf AGS 2011, 534 = JurBüro 2011, 592; LG Düsseldorf 26.10.2018 – 18a O 7/18.

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