Rz. 40

Wechselt der Erstattungsberechtigte den Anwalt zwischen zwei gerichtlichen Verfahren, bei denen die Gebühren jedoch aufeinander angerechnet werden, so sind die Mehrkosten, die sich aus der Nichtanrechnung ergeben, nach der Rspr. des BGH nicht erstattungsfähig. Solche Konstellationen können auftreten bei einem Rechtsstreit nach einem selbstständigen Beweisverfahren,[25] bei einem Verfahren nach Zurückverweisung,[26] im Nachverfahren oder Verfahren nach Abstandnahme nach einem Urkunden-, Scheck- oder Wechselprozess oder im streitigen Verfahren nach einem Mahnverfahren.[27] Dies ist bedenklich, weil es jeder Partei zustehen muss, in einem neuen Verfahren einen anderen Anwalt zu beauftragen, den sie für geeigneter hält.

 

Rz. 41

Beauftragt eine Partei im gerichtlichen Verfahren einen anderen Anwalt als sie zuvor außergerichtlich beauftragt hatte, so sind die vollen Kosten des Rechtsstreits erstattungsfähig. Der Partei kann nicht entgegengehalten werden, dass die Kosten im gerichtlichen Verfahren wegen der dann nach VV Vorb. 3 Abs. 4 vorzunehmenden Anrechnung geringer gewesen seien.[28] Ein Fall des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO liegt hier nicht vor. Dies folgt letztlich auch aus § 15a RVG.

In verwaltungsrechtlichen und finanzgerichtlichen Verfahren sieht die Rspr. dies zum Teil anders, wenn der Anwalt zwischen Nachprüfungsverfahren und Rechtsstreit gewechselt wird, da hier – im Gegensatz zu den Zivilsachen – die vorgerichtliche Tätigkeit zwingende Voraussetzung des gerichtlichen Verfahrens ist und hier auch eine prozessuale Kostenerstattung ausgesprochen wird. Hier werden daher die Kosten nur insoweit erstattet, als sie bei Beauftragung eines Anwalts angefallen wären.[29]

 

Rz. 42

Beauftragt eine Partei außergerichtlich einen nach § 10 RDG zugelassenen Rechtsdienstleister mit der außergerichtlichen Beitreibung einer Forderung und anschließend einen Rechtsanwalt mit dem gerichtlichen Verfahren, so ist die anwaltliche Verfahrensgebühr in voller Höhe erstattungsfähig. Eine Anrechnung der Inkassokosten findet auch unter erstattungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht statt.[30]

[25] BGH 26.10.2017 – V ZB 188/16, AGS 2018, 97 = RVGreport 2018, 67 = NJW 2018, 625; OLG Hamburg AGS 2008, 259 = RVGreport 2008, 392 = OLGR 2007, 275.
[26] OLG Celle AGS 2015, 492 = NJW-Spezial 2015, 668.
[27] BGH 21.12.2017 – IX ZB 31/16, AGS 2018, 100 = RVGreport 2018, 146 = NJW 2018, 871.
[28] BGH 10.12.2009 – VII ZB 41/09, AGS 2010, 52 = RVGreport 2010, 109 = JurBüro 2010, 190; AG Saarbrücken AGS 2008, 365 = NJW-RR 2008, 1669; OLG Koblenz AGS 2009, 209 = JurBüro 2009, 309; OLG Köln AGS 2009, 461; a.A: AG Nürtingen AGS 2010, 306.
[29] VGH Mannheim AGS 2011, 456 = NJW 2011, 2153; FG Köln AGS 2010, 288 = EFG 2009, 1857.
[30] AG Leipzig 7.1.2020 – 108 C 2014/19, AGS 2020, 155 = NJW-Spezial 2020, 125.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge