Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Ersatz von Kosten bei nicht notwendigem Anwaltswechsel

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die Vertretung durch verschiedene Rechtsanwälte für die vorprozessuale Tätigkeit einerseits und das gerichtliche Verfahren andererseits zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, sind deshalb dadurch bedingte Mehraufwendungen nicht zu erstatten.

 

Tenor

Die Erinnerung der Klägerin vom 12. Januar 2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Nürtingen vom 18. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten werden des Erinnerungsverfahrens trägt die Klägerin.

 

Gründe

I.

Die Klägerin machte im Klageverfahren vorgerichtliche Anwaltskosten als Nebenkosten geltend. Diese wurden antragsgemäß in Höhe von 99,75 EUR (0,75 Geschäftsgebühr gemäß RVG VV 2300) im Urteil tituliert.

Die Klägerin war vorprozessual noch von einem anderen Rechtsanwalt vertreten worden.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 4. November 2009 beantragte die Klägerin gegen den Beklagten die Kosten des Verfahrens auf 279,40 EUR zzgl. der Gerichtskosten festzusetzen. Darin enthalten war eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß RVG VV 3100 in Höhe von 172,90 EUR.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2009, der Klägerin zugestellt am 29.12.2009, setzte die Rechtspflegerin die Kosten inklusive Gerichtskosten mit 448,52 EUR gegen den Beklagten fest. In Höhe von 49,88 EUR wurde dem Antrag der Klägerin nicht gefolgt; abgezogen wurde die Hälfte der vorgerichtlich entstandenen und titulierten Geschäftsgebühr. Hiergegen richtet sich die Erinnerung vom 12. Januar 2010.

II.

1.

Die Erinnerung der Klägerin ist zulässig.

Die Erinnerung ist statthaft (§§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO, 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG). Die Beschwerdesumme von 200,00 EUR ist nicht erreicht. Die zweiwöchige Erinnerungsfrist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist gewahrt,

2.

Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Zurecht wurde im Rahmen der Kostenfestsetzung eine (fiktive) Anrechnung entsprechend Vormerkung 3 Abs. 4 RVG VV vorgenommen.

Die unterliegende Partei hat nicht alle entstandenen Kosten des Rechtsstreits, sondern gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Diese Beschränkung ist Ausdruck der Regulierungsfunktion des Kostenrechts, die Parteien zu ökonomischer Prozessführung anzuhalten. Jede Partei hat daher nach Treu und Glauben die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig wie möglich zu halten, soweit sich das mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt. Die aus Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind nicht notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und gehen zu Lasten der obsiegenden Partei. Kommen mehrere gleichwertige Maßnahmen in Betracht, ist grundsätzlich die kostengünstigste zu wählen (vgl. Giebel, in: MünchKomm, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rn. 38 und Herget, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 12 jeweils m.w.N.).

§ 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wonach die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder ein Wechsel eintreten musste, betrifft zwar grds. nur den Anwaltswechsel während des gerichtlichen Verfahrens (OLG Koblenz vom 20.08.2008, Az. 14 W 524/08). Die Norm ist aber Ausdruck des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprinzips des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bei der Beurteilung, welche Aufwendungen notwendig sind, kann der Rechtsgedanke des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO daher berücksichtigt werden.

Ist die Vertretung durch verschiedene Rechtsanwälte für die vorprozessuale Tätigkeit einerseits und das gerichtliche Verfahren andererseits zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, sind deshalb dadurch bedingte Mehraufwendungen nicht notwendig und im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu erstatten.

Weil Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV grundsätzlich nur anwendbar ist, wenn die Partei vorprozessual von demselben Rechtsanwalt vertreten wird (AG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 1669 (1670)), mindert sich in diesem Fall zwar die Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten nicht um die hälftige Geschäftsgebühr. Im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und der Frage, welche Kosten von der unterliegenden Partei zu erstatten sind, ist jedoch ein fiktive Anrechnung vorzunehmen. Eine wirtschaftlich denkende Partei hätte angesichts der höheren Kosten keinen anderen Rechtsanwalt mit der Prozessführung betraut, sofern nicht andere gewichtige Gründe den Wechsel erfordern. Ob es zu einer fiktiven Anrechnung kommt, hängt somit von den Umständen im Einzelfall ab.

Vorliegend wurden von der Klägerin keinerlei Gründe für den Anwaltswechsel vorgetragen. Es ist somit nicht ersichtlich, ob und weshalb der Wechsel notwendig war. Die fiktive Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr ist deshalb zurecht erfolgt.

Im Übrigen erkennt auch das OLG Koblenz (a.a.O.) die Möglichkeit der fiktiven Anrechnung an, nämlich in Fällen, in denen die Partei ihre gerichtliche Vertretung offensichtlich o...

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