Leitsatz (amtlich)

Obgleich der von einer eine Partei nach der Zurückverweisung der Sache an ein untergeordnetes Gericht neu beauftragte Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr erhält, ohne dass eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 6 RVG-VV stattfindet, ist der Prozessgegner zur Erstattung der dadurch verursachten Mehrkosten nur verpflichtet, wenn der Anwaltswechsel notwendig war.

 

Normenkette

RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 6; ZPO § 91 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 14.07.2015; Aktenzeichen 1 O 171/12)

 

Tenor

Die am 20.7.2015 bei dem LG Lüneburg eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 14.7.2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf bis zu 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.7.2015 ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und jedenfalls auch fristgerecht, auch wenn das Datum der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses mangels eines zu den Akten gelangten Empfangsbekenntnisses nicht feststellbar ist. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da sie unbegründet und mithin zurückzuweisen ist.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin des LG auf der Grundlage der Kostenentscheidung des Einzelrichters der 1. Zivilkammer vom 24.3.2015 bzgl. des Klägers die erstinstanzlich im Hauptsacheverfahren vor bzw. nach der Zurückverweisung entstandenen Verfahrensgebühren nach Nr. 3100 RVG-VV einerseits für die zunächst tätig gewordenen Rechtsanwälte ... Dr. D. pp., andererseits für die späteren Rechtsanwälte S. nur einmal berücksichtigt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass im Nichtabhilfebeschluss vom 24.8.2015 irrtümlich von einer Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf die des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens gem. Vorbem. 3 Abs. 6 RVG-VV ausgegangen wird statt richtigerweise von einem Fall der Vorbem. 3 Abs. 5 RVG-VV (Anrechnung der Verfahrensgebühr vor Zurückverweisung auf die nach Zurückverweisung).

1. Vorauszuschicken ist, dass im Falle der Zurückverweisung eines Rechtsstreits das weitere Verfahren gem. § 21 Abs. 1 RVG gebührenrechtlich als neuer Rechtszug gilt, so dass auch eine neue Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV entsteht.

2. Eine Anrechnung der vor Zurückverweisung entstandenen Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 6 RVG-VV auf die nach Zurückverweisung angefallene Verfahrensgebühr kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Die Anrechnungsvorschrift Vorbem. 3 Abs. 6 RVG-VV bestimmt zwar, dass, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache bereits befasst war, die vor diesem Gericht bereits entstandene Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen ist.

Vorausgesetzt ist hier wie bei weiteren vergleichbaren Anrechnungsvorschriften (vgl. Vorbem. 3 Abs. 5 RVG-VV: selbständiges Beweisverfahren/Rechtsstreit, Anm. zu Nr. 3100 RVG-VV, Abs. 2: Urkunden-/Nachverfahren) allerdings, dass ein- und derselbe Rechtsanwalt die Gebühren verdient hat (BGH, Beschl. v. 27.8.2014 - VII ZB 8/14, NJW 2014, 795 ff.). Hat eine Partei - wie hier der Kläger - im Berufungsverfahren bzw. nach Zurückverweisung einen neuen Rechtsanwalt beauftragt, erhält dieser die für ihn entstandene Verfahrensgebühr ohne Anrechnung (vgl. BGH, Beschl. v. 10.12.2009 - VII ZB 41/09, JurBüro 2010, 1890 f.).

Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschriften ist es nämlich, dass der Rechtsanwalt in den einschlägigen Fällen beim Übergang in das neue gerichtliche Verfahren bereits mit der Sache vertraut ist. Demgegenüber muss sich ein neuer Rechtsanwalt erst einarbeiten. Diese Mehrarbeit rechtfertigt die Geltendmachung beider Verfahrensgebühren in voller Höhe (BGH, a.a.O.).

3. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Prozessgegner die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten erstatten muss; diese Frage ist im vorliegenden Fall zu verneinen.

Im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO kann die nach der Kostengrundentscheidung erstattungs- oder ausgleichsberechtigte Partei Erstattung ihrer Auslagen verlangen, wenn und soweit diese zu den Kosten des Rechtsstreits gehören und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Zu den Mehrkosten bei einem Anwaltswechsel bestimmt § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, dass diese nur erstattungsfähig sind, wenn der Anwaltswechsel notwendig war. In diesen Regelungen kommt der Rechtsgedanke zum Ausdruck, dass es den Prozessparteien obliegt, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung der berechtigten Belange einer wirtschaftlich und verständig denkenden Partei vereinbaren lässt. Diese Verpflichtung folgt au...

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