Rz. 139

Wechselt der Auftraggeber zwischen zwei aufeinander anzurechnenden Angelegenheiten seinen Anwalt, so ist nicht anzurechnen. Ein Anwalt muss sich nicht die Vergütung eines anderen Anwalts anrechnen lassen.[58] Lediglich im Falle einer Vertragsübernahme durch einen neuen Anwalt (etwa bei Ausscheiden eines Sozius) ist anzurechnen.

 

Rz. 140

Eine kostenerstattungsberechtigte Partei muss sich bei einem Wechsel des Anwalts zwischen zwei Angelegenheiten auch nicht so behandeln lassen, als wäre anzurechnen. Es steht einer Partei frei, nach Beendigung der Angelegenheit mit der neuen Angelegenheit einen anderen Anwalt zu beauftragen.[59]

 

Rz. 141

Nach der Rechtsprechung des BGH ist dagegen zu differenzieren.

Beauftragt eine Partei im gerichtlichen Verfahren einen anderen Anwalt als den, den sie mit der vorgerichtlichen Vertretung beauftragt hatte, findet im Rahmen des Abs. 3 keine (fiktive) Anrechnung statt. Vielmehr kann auch dann die volle Verfahrensgebühr zur Festsetzung angemeldet werden, wenn der Gegner die vorgerichtliche Geschäftsgebühr bereits gezahlt hat oder sie im Urteil gegen ihn tituliert worden ist. Insoweit steht es einer Partei frei, den Anwalt zu wechseln, ohne, dass sich der Gegner auf die Mehrkosten durch die unterbliebene Anrechnung berufen kann.[60]

Anders verhält es sich dagegen nach der Rechtsprechung des BGH, wenn der Anwalt zwischen mehreren gerichtlichen Verfahren gewechselt wird.

Beauftragt eine Partei im streitigen Verfahren einen anderen Anwalt als den, den sie zuvor im Mahnverfahren beauftragt hat, findet zwar eine Anrechnung nicht statt, da zwischen verschiedenen Anwälten eine Gebührenanrechnung nicht vorzunehmen ist; im Rahmen der Kostenerstattung nach Abs. 3 muss sich nach der Rechtsprechung des BGH jedoch die erstattungsberechtigte Partei die fiktive Anrechnung entgegenhalten lassen, so, wie sie vorzunehmen gewesen wäre, wenn sie für beide Verfahren denselben Anwalt beauftragt hätte.[61]

Auch zu einem Wechsel des Anwalts zwischen Beweisverfahren und Hauptsacheverfahren hat der BGH die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der Kostenerstattung die fiktive Anrechnung zu berücksichtigen ist. Zu erstatten ist auch hier nur die nach VV Vorb. 3 Abs. 5 reduzierte Gesamtvergütung.[62]

 

Rz. 142

Nach der Rechtsprechung des BGH muss dies dann auch für sämtliche Anrechnungsfälle gelten, also z.B. für einen Anwaltswechsel zwischen Urkunden- und Nachverfahren oder für ein Verfahren vor und nach Zurückverweisung.

 

Rz. 143

Der BGH behandelt diese Fälle nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO. Danach sind nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig. Nur dann, wenn ein wichtiger Grund für den Anwaltswechsel vorliegt, z.B. Tod des Anwalts, sollen danach die Mehrkosten erstattungsfähig sein (siehe § 6 Rdn 22). Die Auffassung des BGH ist jedoch unzutreffend. Es muss einer Partei freistehen, nach Abschluss eines Verfahrens einen anderen Anwalt mit dem nächsten Verfahren zu beauftragen. So ist es z.B. denkbar, dass sich im Beweisverfahren aufgrund der dortigen Erkenntnisse ergibt, dass man die Sache einem anderen spezialisierten Anwalt überträgt. Die Frage der Gebührenanrechnung betrifft grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Anwalt. Es besteht freie Anwaltswahl. Dies darf nicht durch eine Einschränkung der Kostenerstattung unterlaufen werden. Der BGH übersieht im Übrigen, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nur für einen Anwaltswechsel in demselben Verfahren gilt. Erfasst werden die Fälle, in denen im selben Verfahren mehrere Anwälte beauftragt werden. In den Anrechnungsfällen wird aber für jedes Verfahren nur ein einziger Anwalt beauftragt.

[59] OLG München AGS 2016, 256 = RVGreport 2016, 225 = JurBüro 2016, 295.

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