Rz. 24

Der durch das KostRÄG 2021 zum 1.1.2021 eingefügte Abs. 2 S. 2 stellt klar: Bei Anrechnung einer Gebühr, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht, auf eine Gebühr, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt insgesamt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr mehr als den sich aus § 15a Abs. 1 ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde. Die Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung kommt nach den Motiven nur dann in Betracht, wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und dem insgesamt nach § 49 bestehenden Anspruch völlig beglichen ist.[34]

 

Rz. 25

 

Beispiel 1 (ab 1.1.2021): Für die außergerichtliche Vertretung ist eine 1,3-Geschäftsgebühr VV 2300 nach einem Wert von 6.000 EUR an den Rechtsanwalt gezahlt worden. Der Rechtsanwalt wird im anschließenden gerichtlichen Verfahren im Wege der PKH beigeordnet (Wert: 6.000 EUR).

Nach Abs. 2 S. 2 ist eine etwaige Anrechnung der gezahlten Geschäftsgebühr wie folgt zu prüfen:

I. Summe der Geschäfts- und Verfahrensgebühr

Bei Anrechnung einer Gebühr, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht (Geschäftsgebühr VV 2300), auf eine Gebühr, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht (Verfahrensgebühr VV 3100), ist zunächst die Summe der gezahlten Geschäftsgebühr (Zahlung auf die anzurechnende Gebühr) sowie der aus der Staatskasse zu erstattenden Verfahrensgebühr (Anspruch auf die andere Gebühr) ohne Anrechnung zu ermitteln:

 
1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 507,00 EUR
(Wert: 6.000 EUR), § 13  
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 383,50 EUR
(Wert: 6.000 EUR), § 49  
Gesamt 890,50 EUR

II. Gesamtbetrag gem. § 15a Abs. 1

Anschließend ist der sich aus § 15a Abs. 1 ergebende Gesamtbetrag zu ermitteln, der aus dem um den hälftigen Anrechnungsbetrag der Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 4 verminderten Gesamtbetrag der Geschäftsgebühr sowie der Verfahrensgebühr besteht. Dabei ist sowohl die Geschäftsgebühr als auch die Verfahrensgebühr VV 3100 aus der Tabelle zu § 13 zu entnehmen, weil Abs. 2 S. 2 eine Klarstellung zu Abs. 2 S. 1 ist.[35] Danach sind Zahlungen zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder unter den Voraussetzungen des § 50 besteht. Dazu gehört die aus der Tabelle zu § 13 entnommene Verfahrensgebühr. Außerdem betrifft § 15a Abs. 1 das Innenverhältnis des Rechtsanwalts zum Mandanten, in dem die Wahlanwaltsgebühren aus § 13 entstehen.

 
1,3-Geschäftsgebühr, Nr.VV 2300 507,00 EUR
(Wert: 6.000 EUR)  
hierauf nach VV Vorb. 3 Abs. 4  
anzurechnen:  
0,65 nach einem Wert – 253,50 EUR
i.H.v. 6.000 EUR  
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 507,00 EUR
(Wert: 6.000 EUR)  
Gesamt 760,50 EUR

III. Mehr oder Differenzbetrag

Der Mehr- oder Differenzbetrag zwischen I und II beläuft sich auf:

 

I. Summe der Geschäfts- und Verfahrensgebühr

II. abzgl. Gesamtbetrag gem. § 15a Abs. 1

890,50 EUR

– 760,50 EUR
Differenz 130,00 EUR

Der gegen die Staatskasse gerichtete Anspruch auf die Verfahrensgebühr verringert sich daher gem. § 58 Abs. 2 S. 2 von 383,50 EUR um 130,00 EUR auf 253,50 EUR.

 

Rz. 26

In den Motiven zu Abs. 2 S. 2[36] wird allerdings ausgeführt, dass eine Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung nur dann in Betracht kommen soll, wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und dem insgesamt nach § 49 bestehenden Anspruch völlig beglichen ist. Anders als der Wortlaut von Abs. 2 S. 2, der nur auf die der Anrechnung unterfallenden Gebühren abstellt, wird in der Begründung die Wahlanwalts- und PKH-Vergütung insgesamt erwähnt. Hierdurch kann sich aber ein ganz anderes Anrechnungsergebnis ergeben, weil die Vergütung auch die Auslagen (§ 1 Abs. 1 S. 1) und andere Gebühren (Termins- und Einigungsgebühr) umfasst. Weil nur die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, kann sich die Verminderung des Anspruchs gegen die Staatskasse nur auf die Gebühr beziehen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht. Wird die Geschäftsgebühr nur teilweise an den Rechtsanwalt gezahlt, ist natürlich nur diese Teilzahlung bei der Prüfung der Anrechnung zu berücksichtigen.

 

Rz. 27

Eine andere Berechnungsweise mit dem gleichen Ergebnis sieht wie folgt aus:

 

Beispiel (siehe Beispiel 1, Rdn 25):

I. Außergerichtliche Vertretung

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert 6.000,00 EUR)   507,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 527,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   100,13 EUR
Gesamt   627,13 EUR

II. Gerichtliches Verfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr VV 3100, § 49 (Wert 6.000,00 EUR)   383,50 EUR
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4, § 13 anzurechnen, 0,65 aus 6.000,00 EUR – 253,50 EUR  
  davon nach § 58 Abs. 2 S. 2 anrechnungsfrei (507,00 EUR – 383,50 EUR) 123,50 EUR  
  verbleiben   – 130,00 EUR
3. 1,2-Terminsg...

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