a) Bewilligungsbeschluss

 

Rz. 11

Ausgangspunkt der Betrachtung, für welche Interessenwahrnehmung des Anwalts zugunsten der bedürftigen Partei die Staatskasse aufzukommen hat, ist der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Dieser ist für das Festsetzungsverfahren (§ 55) bindend (§ 55 Rdn 155), auch wenn die Bewilligung überhaupt nicht hätte beschlossen werden dürfen[13] oder wenn die Durchführung des Verfahrens nicht angezeigt gewesen ist[14] oder wenn der Zeitpunkt der Rückwirkung noch weiter zurückverlegt wird als auf den Zeitpunkt des Vorliegens eines vollständigen Antrags.

Zitat

"Maßgeblich ist ... allein der Inhalt des Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlusses, wobei im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem Gerichtstermin auch der Inhalt der Sitzungsniederschrift zur Auslegung herangezogen werden kann."[15]

Ergibt die Auslegung, dass sich die Bewilligung sowohl auf das Hauptverfahren als auch auf das einstweilige Anordnungsverfahren erstreckt, so entfaltet ein entgegen stehender Beschluss, durch den der später ausdrücklich gestellte Antrag für das einstweilige Anordnungsverfahren abgelehnt wird, keine Rechtswirkung.[16]

 

Rz. 12

Die Verbindlichkeit der PKH-Bewilligung als Rechtsgrundlage der Beiordnung besagt, dass der Anwalt das jeweilige Verfahren gegenüber der Staatskasse dem Grunde nach so abrechnen kann, wie er es ohne PKH-Bewilligung der Partei gegenüber könnte. Dies gilt auch im Rahmen der gebotenen Gesamtschau bei mehreren Verfahren, für die Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.[17] Soweit die Partei einer Mehrfachabrechnung entgegen halten könnte, dass der Anwalt prozesstaktisch ihre wirtschaftlichen Interessen besser hätte wahren können, steht dieser Einwand ebenso der Staatskasse zu (siehe § 45 Rdn 49).[18]

[14] OLG Zweibrücken Rpfleger 1995, 364; OLG Düsseldorf MDR 1989, 827; a.A. OLG Düsseldorf Rpfleger 1994, 27.
[15] OLG München AnwBl 1987, 340.
[18] Zu weit gehend LAG München AGS 2009, 36 und ArbG München AGS 2009, 38 m. Anm. E. Schneider und N. Schneider, weil sie die Festsetzung nach § 55 fälschlich mit der Kostenfestsetzung nach § 104 ZPO vergleichen (Ähnlichkeiten bestehen zu § 11, allerdings ohne Einwendungsausschluss).

b) Reichweite der Bewilligung

aa) Allgemeines

 

Rz. 13

Zuständig für die Bewilligung ist das jeweils erkennende Gericht. Da es sich ebenso wie bei der Beiordnung um eine verwaltungsrechtliche Nebenentscheidung handelt (vgl. § 45 Rdn 6),[19] vermag die Wirkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht weiter zu reichen als die Entscheidungskompetenz des Gerichts.[20] Dementsprechend regelt § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass die Bewilligung für jeden Rechtszug besonders erfolgt;[21] für die Tätigkeit des Anwalts "zwischen den Instanzen" kommt sie nicht in Betracht, also insbesondere nicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels.[22]

 

Rz. 14

Nach dem Sinngehalt dieser Bestimmung ist der Begriff des Rechtszugs allerdings nicht umfassend prozessrechtlich, sondern gebührenrechtlich zu verstehen, weil es sich um eine Kostenvorschrift handelt.[23] Als besonderer Rechtszug gilt jeder Verfahrensabschnitt, der besondere Kosten verursacht[24] und noch nicht Gegenstand einer Prüfung gemäß § 114 ZPO gewesen ist. Der gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts umfasst daher grundsätzlich sämtliche anwaltliche Gebühren und Auslagen, die aufgrund der Tätigkeit, die der beigeordnete Rechtsanwalt in dem von der Bewilligungsentscheidung erfassten Verfahrensabschnitt ausübt, anfallen. Eine auf bestimmte Gebührentatbestände beschränkte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sieht das Gesetz weder in den §§ 76 ff. FamFG noch in den §§ 114 ff. ZPO vor.[25]

 

Rz. 15

Das betrifft ebenfalls die Zwangsvollstreckung,[26] allerdings mit der Besonderheit, dass § 119 Abs. 2 ZPO die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen innerhalb des Gerichtsbezirks zusammenfasst (Abs. 5, Rdn 67 ff.). Auch die der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gleichgestellte Stundung nach der Insolvenzordnung "erfolgt für jeden Verfahrensabschnitt besonders" (§ 4a Abs. 3 S. 2 InsO). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe umfasst nicht eine spätere Klageerweiterung; es bedarf eines erneuten Antrags.[27] Im Fall der Beiordnung für das Revisionsverfahren umfasst diese auch die Vertretung im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH.[28]

 

Rz. 16

Gegenständlich umfasst die Bewilligung in der Regel nur die konkrete Angelegenheit. Wird beispielsweise für ein Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe gewährt, so gilt die Bewilligung nicht auch im einstweiligen Anordnungsverfahren[29] (zur Einbeziehung durch Auslegung siehe Rdn 11). Sie kann sich aber kraft Gesetzes auf ein weiteres Verfahren erstrecken, ohne dass es insoweit einer Beschlussfassung bedarf (z.B. Erstreckung in einer Scheidungssache auf den Versorgungsausgleich, § 149 FamFG). Nach § 48 A...

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