Entscheidungsstichwort (Thema)

Angelegenheiten aus dem BetrVG. Einigungsstellenspruch. Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG. Gefährdungsschulung nach § 12 ArbSchG vor Gefährdungsbeurteilung

 

Leitsatz (amtlich)

ein Einigungsstellenspruch, der einem Arbeitgeber zu Gefährdungsschulungen nach § 12 ArbSchG verpflichtet, bevor konkrete Gefährdungen für den jeweils zu schuldenden Arbeitnehmer festgestellt wurden (Gefährdungsbeurteilungen) ist ermessensfehlerhaft. Dies folgt aus der Entscheidung des BAG vom 12.08.08 – 9 AZR 1117/06 (vgl. auch LAG Köln vom 03.05.10 – 2 TaBV 90/09 – zitiert in juris und LAG München vom 12.10.10 – 9 TaBV 39/10 –).

 

Orientierungssatz

Einigungsstellenanspruch zu Gefährdungsschulungen ohne Gefährdungsbeurteilungen

 

Normenkette

ArbSchG §§ 12, 5

 

Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Beschluss vom 11.05.2010; Aktenzeichen 4 BV 16/09)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 08.11.2011; Aktenzeichen 1 ABR 1/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 11.05.2010 – 4 BV 16/09 – wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Wirksamkeit eines Teilspruchs der Einigungsstelle vom 17.12.2008.

Die Antragstellerin/Beteiligte zu 1. befasst sich mit der Herstellung, den Vertrieb, der Installation und Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen. Die Beteiligte zu 1. hat bundesweit insgesamt 39 Niederlassungen einschließlich der Zentrale in … und beschäftigt bundesweit ca. 2800 Arbeitnehmer.

Der Beteiligte zu 3. ist der bei der Niederlassung in … gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 2. ist der beim Unternehmen bestehende Gesamtbetriebsrat.

Im Betrieb in … sind 17 Mitarbeiter beschäftigt. Es werden 12 Monteure, davon 10 im Servicegeschäft und 2 für den Neubau beschäftigt. Ferner beschäftigt die Niederlassung einen Verkäufer Service, einen Verkäufer Neubau, 2 administrative Kräfte und einen Meister Neubau, der auch zugleich für die Niederlassung in … zuständig ist. Die Niederlassung in … ist eine Flächenniederlassung, das heißt, sie hat ein sehr großes Einzugsgebiet und betreut viele Anlagen im engeren und weiteren Umland und verhältnismäßig wenige Anlagen in der Stadt selbst.

Die Beteiligte zu 1. und der Beteiligte zu 2. führen seit mehreren Jahren erfolglos Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zu Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen nach dem Arbeitsschutzgesetz. Beide Beteiligten einigten sich am 23. März 2007 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Verfahren 13 TaBV 281/07 vergleichsweise auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung, der Regelung von Unterweisungen sowie der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen (nach §§ 3 Abs. 2, 5 ArbSchG i. V. m. § 3 Bildschirmarbeitsverordnung und § 12 ArbSchG); hierbei sollte es der Einigungsstelle überlassen bleiben, ob sie eine Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG oder § 50 Abs. 2 BetrVG annimmt. Mit Teilspruch vom 09.07.2007 beschloss die Einigungsstelle, dass der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG unzuständig sei und eine Zuständigkeit aus § 50 Abs. 2 BetrVG die Beauftragung durch die jeweiligen örtlichen Betriebsräte voraussetze.

Durch Beschluss vom 29.04.2008 wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Verfahren 12 TaBV 134/08 eine Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.12.2007 (Az.: 9 BV 12609/07) zurück. Das Arbeitsgericht Berlin hatte seinerseits den Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 2. schloss am 17.12.2008 einen weiteren Teilspruch in der Einigungsstelle im Auftrag für den Beteiligten zu 3.

Mit dem vorliegenden Antrag, der beim Arbeitsgericht Berlin am 26.01.2009 eingegangen ist, wendet sich die Antragstellerin gegen diesen Teilspruch der Einigungsstelle vom 17.12.2008, welcher der Antragstellerin am 12.01.2009 zugegangen war. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

„1. Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt

– räumlich für die Betriebe der … GmbH & Co. oHG, deren Betriebsräte gemäß Anlage 1 den GBR beauftragt haben;

2. Gegenstand

Diese Betriebsvereinbarung dient der Umsetzung der gesetzlichen Rahmenvorschriften zur Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutzgesetz einschließlich der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zur Beteiligung der Beschäftigten gemäß § 3 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz.

3.1 Ziel der Unterweisung

Ziel der Unterweisung der Beschäftigten ist die Vermittlung von Kenntnissen über Belastungen und Beanspruchungen durch die Arbeit sowie Entlastungsmöglichkeiten, die Vermittlung des ergonomisch richtigen Umgangs mit Arbeitsmitteln, die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung im Sinne der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Es sollen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die Beschäftigen ihre Beteiligungsrechte und -pflichten nach §§ 1517 ArbSchG wahrnehmen können.

3.2...

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