Entscheidungsstichwort (Thema)

Beauftragung des Gesamtbetriebsrats. Verhältnis der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zur Unterweisung nach § 12 ArbSchG

 

Leitsatz (amtlich)

Unwirksamer Einigungsstellenspruch wegen fehlender Abschlussvollmacht des nach § 50 Abs. 2 BetrVG handelnden GBR, sowie Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle wegen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Unterweisung nach § 12 ArbSchG vor Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG.

 

Normenkette

BetrVG § 50 Abs. 2; ArbSchG §§ 5, 12

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Beschluss vom 16.02.2010; Aktenzeichen 1 BV 33/09)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 08.11.2011; Aktenzeichen 1 ABR 64/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg, Az.: 1 BV 33/09, vom 16.2.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Teilspruchs der Einigungsstelle vom 17.12.2008, welcher zum Regelungsgegenstand „Unterweisung und erforderliche organisatorische Vorkehrung für die Beteiligung der Beschäftigten nach Arbeitsschutzgesetz” beschlossen wurde.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1 befasst sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen. Sie hat neben der Niederlassung in A-STADT weitere 38 Niederlassungen einschließlich ihrer Zentrale in C-Stadt und beschäftigt bundesweit circa 2.800 Arbeitnehmer.

Der Beteiligte zu 2 ist der bei der Niederlassung A-STADT bestehende Betriebsrat; der Beteiligte zu 3 ist der beim Unternehmen bestehende Gesamtbetriebsrat.

Am 23.3.2007 einigten sich die Antragstellerin und der Beteiligte zu 3 vor dem Landesarbeitsgericht C-Stadt-Brandenburg im Verfahren 13 TaBV 281/07 vergleichsweise auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung, der Regelung von Unterweisungen sowie der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen (nach §§ 3 Abs. 2, 5 ArbSchG i.V.m. § 3 BildschirmarbeitsVO und § 12 ArbSchG); hierbei sollte es der Einigungsstelle überlassen bleiben, ob sie ihre Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG oder § 50 Abs. 2 BetrVG annimmt. Mit Teilspruch vom 9.7.2007 beschloss die Einigungsstelle, dass der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG unzuständig sei und eine Zuständigkeit aus § 50 Abs. 2 BetrVG die Beauftragung durch die jeweiligen örtlichen Betriebsräte voraussetze.

Durch Beschluss vom 29.4.2008 wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Verfahren Az.: 12 TaBV 134/08 eine Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 5.12.2007 (Az.: 9 BV 12609/07) zurück. Das Arbeitsgericht Berlin hatte seinerseits den Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG zurückgewiesen.

Am 4.9.2006 fasste der Beteiligte zu 2 folgenden Beschluss:

„Der Gesamtbetriebsrat der O. wird beauftragt gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG für ihn Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung „Gesundheitsschutz” durchzuführen.”

Mit dem vorliegenden Antrag, der beim Arbeitsgericht C-Stadt am 26.1.2009 eingegangen ist, wendet sich die Antragstellerin gegen den hierauf gefassten Teilspruch der Einigungsstelle vom 17.12.2008, welcher der Antragstellerin am 12.1.2009 zugegangen war. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

„1.

Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt

– räumlich für die Betriebe der O., deren Betriebsräte gemäß Anlage 1 den GBR beauftragt haben;

2.

Gegenstand

Diese Betriebsvereinbarung dient der Umsetzung der gesetzlichen Rahmenvorschriften zur Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutzgesetz einschließlich der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zur Beteiligung der Beschäftigten gemäß § 3 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz.

3.1

Ziel der Unterweisung

Ziel der Unterweisung der Beschäftigten ist die Vermittlung von Kenntnissen über Belastungen und Beanspruchungen durch die Arbeit sowie Entlastungsmöglichkeiten, die Vermittlung des ergonomisch richtigen Umgangs mit Arbeitsmitteln, die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung im Sinne der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Es sollen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die Beschäftigten ihre Beteiligungsrechte und -pflichten nach §§ 1517 ArbSchG wahrnehmen können.

3.2

Aufgliederung der Unterweisung

Die Unterweisung gliedert sich in eine Grundunterweisung, deren Inhalte in der Anlage 2 vereinbart sind, und eine aufgabenbezogene Unterweisung, deren Inhalte in der Anlage 3 – bezogen auf die einzelnen Arbeitsplätze und dortige Belastungen – vereinbart sind.

3.4

Dauer und Zeitpunkte der Unterweisung

Für die erstmalige Grundunterweisung wird in der Regel eine Zeitdauer von 3 Stunden eingeplant. Die Zeitdauer für die aufgabenbezogene Unterweisung richtet sich nach den Besonderheiten der Tätigkeit und wird zwischen den Betriebsparteien jeweils vereinbart. Je nach Arbeitsplatz und Anlass kann hiervon im Einvernehmen der Betriebsparteien abgewichen werden.

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